Wenn man sich die Videospieltitel anschaut, die in den letzten fast dreißig
Jahren erschienen sind, stellt man fest, dass es durchaus einige Namen gibt, die
immer wieder auftauchen: Mario, Zelda, Castlevania, etc. Doch nicht nur Nintendo
hat seine Helden, auch beim Blick über den Tellerrand hin zu den "gegnerischen"
Konsolen findet man einige Highlights, um die man Sony und Microsoft
streckenweise beneiden kann. Allen voran sei hier die Final Fantasy - Serie von
Square Enix genannt, die es wie nur wenige andere geschafft hat, einen eigenen
Kosmos zu schaffen, der mit jedem weiteren Titel immer komplexer wird, und ein
atmosphärisches Spielerlebnis bietet, das schon fast vorbildlich ist. Was jedoch
nur wenige wissen, ist, dass Final Fantasy I seinerzeit auf dem NES seine
Premiere feierte, und dann erst zu Sony wechselte. Doch nach über zwanzig Jahren
kehrte der "verlorene Sohn" wieder zurück zu Nintendo. Seit ein paar Jahren kann
der Fan der Serie auf dem GBA die Geschichten rund um Ivalice und seine Prinzen
und Könige nachspielen, und mit der Tactics-Serie wurde ein gänzlich neues
Spielprinzip, welches sich sehr schnell eine breite Anhängerschaft gesichert
hat, geschaffen. Diese Innovation geht nun mit "Final Fantasy Crystal Chronicles
- My Life As A King" bei Square Enixs' erstem reinen WiiWare-Titel weiter:
Hier schlüpft man in die Rolle des Sohnes von König Epitav. Nachdem die alte
Heimat unseres Protagonisten in den Wirren des Miasmas unterging, und von ihr
nichts mehr übrig ist, als die schemenhaften Erinnerungen, bewahrt im Kopf des
kleinen Königs, streift er zusammen mit seinen zwei Getreuen, Chime und Hugh
Yurg durch die Lande, bis er schließlich die Mauern einer verlassenen Stadt
erreicht. Im Zentrum der Stadt ragt ein riesiger Kristall aus dem Boden heraus,
der dem jungen Regenten, nach kurzem Small Talk die magische Fähigkeit
"Architek" verleiht. Mithilfe dieser magischen Formel kann er nun Strukturen
erschaffen, an die er sich erinnern kann. Anfangs sind dies jedoch nur kleine
Wohnhäuser, aber mit der Zeit kommen noch allerhand weitere Häuser hinzu. Und,
wie es sich für einen echten König gehört, steht ihm zum Wiederaufbau der Stadt
ein Berater, oder viel mehr eine Beraterin, zur Seite: Chime. Sie ist die gute
Seele des aufstrebenden Königreichs, und die rechte Hand des Herrschers, die ihn
jeden Morgen auf den aktuellen Stand der Geschehnisse bringt. Nach einem kurzen
Schütteln der Wii-Mote erscheint sie wie aus dem Nichts, und assistiert beim Bau
neuer Gebäude.
Nachdem man das erste Wohnhaus gebaut hat, erscheinen auch schon die ersten
Einwohner des Königreichs: Mit jedem Haus zieht eine Familie hinzu, wovon
jeweils ein Spross sich gerne in die Dienste des Königs stellen würde. Die
Kinder sammeln sich vor dem Schlosstor und warten darauf, zu Abenteurern ernannt
zu werden. Völlig atypisch für die Final Fantasy-Spiele kann man nämlich nicht
selbst in die Schlacht ziehen, sondern man muss sich auf das Versenden der
Abenteurer beschränken, indem man nach dem Morgenreport von Chime auf der Karte
des Königreichs einen Einsatzort und die gewünschte Aktion für die wackeren
Streiter bestimmt. Die eifrigen Helden sammeln sich alsbald am entsprechenden
schwarzen Brett, um den Auftrag zugeteilt zu bekommen, bevor sie sich noch
"kurz" mit dem nötigen Abenteurerinventar ausrüsten, und sich ins Abenteuer
stürzen. Speziell im späteren Spiel bereut man hier die anfängliche mangelnde
Planung der Stadt, wenn die Helden den halben Tag in dieser verschwenden, bis
sie endlich alle ihre Besorgungen gemacht haben und endlich einsatzbereit sind.
So kann es durchaus passieren, dass man sich wundert, warum schon seit Tagen
keine Aufgabe mehr erfolgreich beendet wurde.
Durch das Aussenden der Heroen gewinnt man die magische Ressource "Elementite",
die man zum Bauen benötigt, Gil, die Währung in Ivalice, und natürlich erhalten
die Abenteurer Erfahrungspunkte. Das Steigern der Fähigkeiten der Helden läuft
zwar vollautomatisch, nach dem kompletten Abschließen eines Levels darf man dem
siegreichen Streiter aber noch zusätzlich eine Medaille verleihen, die bestimmte
Fähigkeiten steigert oder spezielle Eigenschaften verleiht. Wie es sich für ein
RPG gehört, kommt es aber auch auf die richtige Ausrüstung an, mit der ins Feld
gezogen wird, weswegen es recht praktisch ist, dass man sich mit der Zeit an
immer weitere Gebäude wie den Waffenladen oder den Rüstungsladen erinnern kann.
Auch können im Spielverlauf verschiedene Schulen gebaut werden, in denen die
Helden spezielle Berufe erlernen können. Schwarzmagier, Weißmagier, Diebe und
Krieger können dort ihre Fähigkeiten erweitern, und man selbst darf die
Steuereinnahmen in die Forschung investieren, so dass immer neue Fertigkeiten
für die Helden zur Verfügung stehen.
Da man selbst ja nicht in den aktiven Teil des Spielgeschehens mit den Heroen
eingreifen kann, muss man irgendwie die Zeit nutzen, bis Chime erscheint, und
sagt, dass es Zeit sei, ins Bett zu gehen. Dies tut man natürlich am besten, in
dem man sich um den Aufbau der Stadt kümmert; doch nicht zu selten wird man in
der Situation sein, in der man entweder kein Elementite mehr hat, oder das
Maximum an den jeweiligen Gebäuden bereits erreicht hat. Dann ist es sehr ratsam
das eine oder andere Schwätzchen mit den Bürgern zu halten: Es macht sie
glücklich, wenn sie mit ihrem König reden können, und es hebt die Moral, die man
wiederum dafür nutzen kann, die Stadt zu entwickeln. Von Zeit zu Zeit sollte man
auch mal einen Feiertag ausrufen, an dem alle Bürger der Stadt einmal fünfe
gerade sein lassen können, und man selbst die königlichen Gewänder gegen einen
etwas legereren Aufzug tauschen sowie die Stadt und das rege Treiben in ihr, am
besten vielleicht vom Aussichtsturm aus, genießen kann. Zwar ist die Aussicht
von dort aus recht beeindruckend, leider fehlt aber der gewisse Wuselfaktor, der
bei vielen Aufbauspielen gerne zum Entspannen und Genießen einlädt. Feiertage
treiben den Spielfortgang nicht voran, ausgeruhte und somit besser motivierte
Bürger und Abenteurer sind glücklicher und produktiver.
Die eigentliche Handlung des Spiels unterteilt sich in vier Akte und wird
jeweils über Zwischensequenzen aus der Spielgrafik heraus erzählt, und bietet
einiges an Überraschungen und viel Hintergründe zu den Geschehnissen in Ivalice.
Doch da sich deren Fortgang, mitunter über einen enorm langen Zeitraum
erstrecken kann, schafft sie es leider nicht, den Spieler so zu fesseln, wie es
bei anderen Teilen der Finalen Fantasien der Fall ist. Doch diesen Preis ist man
gerne gewillt zu zahlen, angesichts der überdurchschnittlichen Spielzeit für
einen WiiWare-Titel. Dennoch kann sich mit der Zeit eine gewisse Monotonie im
Tagesablauf einstellen, da man stets das Selbe tut, und wirklich fordernde
Aktivitäten fehlen, weswegen die größte Herausforderung meist nur darin besteht
so viele Bewohner wie möglich zu finden und mit ihnen zu reden, um die
entsprechenden Moralboni zu ergattern.
Grafisch kann man an Final Fantasy Crystal Chronicles - My Life As A King nichts
aussetzen. Die kindliche Aufmachung und die "Sterncheneffekte", die den Bau von
Häusern oder das Auftreten von Chime und anderen Charakteren begleiten, sind
wohl Geschmackssache, fallen aber keineswegs negativ auf, und sind wohl die
größte grafische Leistung des Spiels. Ansonsten kann man wirklich das Gefühl
bekommen, dass man durch eine "echte" Stadt läuft, wenn man durch die
verwinkelten Gässchen und Strassen seines Königreichs schlendert: Die Häuser
sind liebevoll gestaltet, und obwohl alle baugleichen Typen identisch sind, kann
man sich an den Fachwerkfassaden einfach nicht satt sehen. Überhaupt ist durch
die Vielfalt der Gebäude und den ungewöhnlichen Blickwinkel des Städtebauers ein
gänzlich neues Spielgefühl geschaffen worden, welches durchaus seinen Reiz hat.
Auch die Einwohner, die ständig durch die Strassen ziehen, sind nett gestaltet
und man nimmt es den Entwicklern nicht übel, dass sie nur gefühlte zwei
verschiedene Männer- und Frauenarten kreiert haben, vor allem, wenn im späteren
Spiel auch die unterschiedlichsten Reisenden aus aller Herren Länder dem Reich
einen Besuch abstatten.
Die musikalische Untermalung des ganzen Geschehens ist,
obwohl keineswegs eine kompositorische Meisterleistung epischen Ausmaßes,
durchaus akzeptabel und passt hervorragend in das Gesamtbild des Spiels und
trägt ihren Teil zur Atmosphäre bei.
Ebenso lässt auch die Steuerung kaum
Negatives bemängeln: präzise steuert man sein Alter Ego durch das Reich und auch
die Wahl zwischen Controlstick und Steuerkreuz bei den Auswahlmenüs lässt
persönlichen Freiraum zum Optimieren. Die Steuerung der Kameraeinstellung,
speziell auf dem Aussichtsturm und in engen Gassen, ist aber weniger
überzeugend, da man oft nicht die gewünschte Einstellung oder Perspektive
hinbekommt. Man könnte eigentlich schon eine freischwenkbare Kamera erwarten,
die einiges an zusätzlicher Übersichtlichkeit bieten würde.
Für besonders
begeisterte Spieler mit prallem Punktekonto bietet das Spiel auch einiges an Pay
and Play-Inhalten, die man allesamt bei Chime im Palast erwerben kann. Seien es
nun neue Kleider oder Dungeons; hier findet man fast alles, was das Herz
begehrt. Ob diese Spielereien allerdings wirklich notwendig sind, liegt im
Ermessen des Spielers. Natürlich hätten diese Goodies problemlos in die
vorliegende Version eingebettet werden können, aber dann wäre der durchaus
vertretbare Preis von 1500 Punkten definitiv überschritten worden.
Fazit:
Final Fantasy Crystal Chronicles - My Life As A King ist ein sehr gelungenes
Aufbauspiel, das einmal einen gänzlich neuen Aspekt in die Welt von Final
Fantasy bringt. Obwohl man die fesselnde Story, die fast schon obligatorisch für
einen FF-Teil ist, vermisst, beziehungsweise diese nicht so zum Tragen kommt,
ist der Titel schon spaßig und lässt bis zum Schluss nicht das Ende absehen. Wer
also auf der Suche nach einem netten Aufbauspiel ist, der kann hier getrost
zugreifen, denn auch die gelegentlichen Längen des Titels werden durch das
Ambiente leicht wieder aufgewogen. Auch muss man keinerlei Vorkenntnisse der
Final Fantasy-Serie besitzen, da hier lediglich das "Setting" - Kristall und
Fantasy-Welt - "missbraucht" wird. Durch die Pay and Play-Inhalte sollte man
sich nicht stören lassen, da diese keineswegs nur reine Geldschneiderei sind,
denn hätte man alles zusammen gepackt, würden wir Final Fantasy Crystal
Chronicles - My Life As A King wohl als Vollpreistitel im Ladenregal finden,
denn auch dazu würde er definitiv vom Umfang her reichen. Dann würde man wohl
auch eine eingedeutschte Version in Händen halten können, die es überflüssig
macht, umständlich mit einem Lexikon zu hantieren, da der vorliegende
WiiWare-Teil komplett in englischer Sprache vorliegt. Selbst für ausgewiesene
Sprachkenner ist der teils sehr alte Slang der gesprochen wird eine echte
Herausforderung, und ist somit leider nichts für Spieler, die entweder mit
Englisch nichts am Hut haben, oder über kein gutes Lexikon verfügen.
(Michi)
Pluspunkte:
+ Neuer Aspekt im Final Fantasy-Kosmos
+ Gelungener Blickpunktwechsel im Aufbaugenre
+ Unvorhersehbare Story
+ Liebevolle Animationen
+ Sehr gelungene Atmosphäre
+ Kinder an die Macht!
Minuspunkte:
- Auf Dauer eintöniger Spielablauf
- Recht beschränkte Kameramöglichkeiten
- Keine Option auf Teilnahme an den Abenteuern
- Komplett in englischer Sprache
Wertung:
Einzelspieler: 8,0
Screenshot
Screenshot 2
Preis:
1500 Nintendo Punkte
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(04.09.2009)