Der Name Nintendo ist seit Anbeginn der Videospielära gleichbedeutend mit
Innovation: Schon das NES, die erste wirklich brauchbare Heimkonsole, die Anfang
der 1980er Jahre für eine Revolution in den Kinderzimmern der Welt gesorgt
hatte, wurde zur Spielwiese, nicht nur für Software- sondern auch für
Hardware-Designer, die eine Vielzahl an Peripheriegeräten hervorbrachten, die
teils die obskursten Formen und Funktionen hatten. Doch seitdem wurde es ruhiger
in den Innovationsschmieden von Nintendo. Erst die Einführung des DS sorgte wohl
für einem Paradigmenwechsel hin, zurück zu den Wurzeln: Die Jahrzehnte des
relativen Stillstands, in denen lediglich eine Hand voll an Neuerungen Einzug
gehalten hatte, waren mit der Einführung einer neuen Schnittstelle zwischen
Mensch und Maschine, dem Stylus, zu Ende. Der enorme Erfolg des DS und seiner
"Nachfolger", dem DS Lite und nun auch dem DSi, spricht für sich, vor allem aber
dafür, wie begeistert die weltweite Spielerschaft davon ist. Der Release der
Wii, die mit Wii-Remote und Nunchuk im Endeffekt nichts anderes tut, als das
Stylus-Prinzip auf den Fernseher zu übertragen, war nur die logische Konsequenz
daraus. Der lange verloren geglaubte Pioniergeist der 80er lebt nun wieder auf
und lässt Spieleentwickler völlig neue Wege beschreiten. Hierzu gehört wohl auch
das Eindringen in noch fast jungfräuliche Bereiche: Das Meer bzw. die
Unterwasserwelt. Mit diversen Aquariensimulationen konnte sich der Spieler mit
dem feuchten Element vertraut machen, bevor er in Endless Ocean zum ersten Mal
"selbst" in ins kühle Nass eintauchen konnte. Der Versuch die Unterwasserwelt
mit einem Knobelspiel zu kombinieren gleicht wohl der Quadratur des Kreises,
aber dennoch ist es in einem Titel der "Art Style"-Serie für den DSi gelungen.
In "Art Style - Aquite" muss man einem Taucher dabei helfen, an Tiefe zu
gewinnen, indem man in einer Röhre, in der sich 3x24 Quadrate befinden,
mindestens drei gleichfarbige Elemente aneinanderreiht. Um dies zu tun, muss man
sich im Startbildschirm für einen von zwei zur Verfügung stehenden Tauchgängen
entscheiden: Interval Dive oder Endless Dive. Im Interval Dive, also im
Interval-Tauchgang kann man sich in drei mal zehn Levels, die sich jeweils in
zwei Abschnitte unterteilen, neue "Videos" für den Aquarium-Modus freischalten,
wovon jedes eine Spezies der Unterwasserwelt beinhaltet. So kann man schon recht
bald Seepferdchen, Wimpelfischen, Feuerfischen oder Schildkröten dabei zusehen,
wie sie, scheinbar schwerelos, über den Topscreen gleiten.
Bevor man sich ans Linienbilden machen kann, muss man noch einen der drei Rahmen
wählen, mit dem man die Quadrate verschiebt. Hier hat man die Auswahl zwischen
zwei rechteckigen Rahmen, einer horizontal, der andere vertikal, mit denen man
jeweils zwei Felder gleichzeitig bewegen kann und einem vier Felder messenden
Quadrat, mit dem man vier Felder bewegen kann. Sobald man sich hier entschieden
hat, beginnt man, die hellblauen, weißen, dunkelblauen und grauen Felder zu
rearrangieren. Um dies zu tun, bewegt man den gewählten Rahmen am Rande der
Röhre auf und ab, bis man das/die benötigte/n Karee/s gefunden hat, drückt "A"
oder "X" und schon bewegt sich der Rahmen auf die andere Seite der Röhre und
schiebt, seiner Form entsprechend, Quadrate aus der Röhre, die man nun
idealerweise wieder an einen passenden Ort einschiebt, sodass sich entweder
senkrecht oder waagerecht eine Linie mit mindestens drei gleichfarbigen
Elementen bildet. Mit "B" und "Y" oder wahlweise auch "L" und "R" rotiert man
die Felder innerhalb des Rahmens in oder entgegen des Uhrzeigersinnes, was einem
dabei sehr entgegen kommt. Die schwarzen Quadrate mit dem Querstrich nehmen hier
eine Joker-Position ein, da sie ihre Farbe in die der angrenzenden, abgebauten
Linien wechseln. Durch geschicktes Positionieren dieser Joker und einigem
"Um-die-Ecke-denken" macht man gewaltige Kombos, wenn die von unten her
nachrückenden Quadrate sofort wieder neue Linien bilden. In diesem Idealfall
gewinnt der Taucher sehr schnell an Tiefe und man entgeht so der Drucklinie, die
umbarmherzig wie ein Damoklesschwert langsam aber stetig vom oberen Rand des
Topscreens her, eine Quadratreihe nach der anderen in der Dunkelheit
verschwinden lässt. Hat die Drucklinie den unteren Rand des Touchscreens
erreicht und alle Felder in der Schwärze verschwinden lassen, nimmt der
Tauchgang ein jähes und ungewolltes Ende. Möchte man dies aber verhindern, kann
man die drei leuchtend eingefassten Quadrate aneinanderreihen und so die
Drucklinie auf ihren Anfangspunkt zurücksetzen. Da diese Quasi-Rettungsinseln
aber erst nach und nach, mitunter auch erst ziemlich spät erscheinen, ist es
sehr gut, dass man ihren leuchtenden Rand auch noch sieht, wenn sie schon im
Dunklen verschwunden sind, sodass man sie auch dann noch findet. Denn im
Schwarzen verschwundene Felder sind nach wie vor da, und können, trotz allem,
dass man sie nicht sieht, bewegt, kombiniert, oder auch wieder in den noch
sichtbaren Bereich geholt werden. Natürlich könnte man so auch einfach auf gut
Glück versuchen, durch wahlloses Verschieben von links nach rechts, neue Linien
zu schaffen. Doch obwohl dieses Chaosprinzip erstaunlich gut funktioniert, kann
es auf Dauer ein koordiniertes Vorgehen nicht ersetzen und empfiehlt sich somit
nur auf den letzten noch zu tauchenden Metern des Intervall-Tauchganges.
Im Endlos-Modus lässt sich dieses Spielchen jedoch beliebig fortsetzen, da man
keine Maximaltiefe erreichen muss. Hat man diese im Intervall-Modus erreicht,
beginnt die zweite Phase des Tauchgangs: In der Röhre werden nun alle Farbe
durch gleichfarbige Steine ersetzt und es erscheint eine Figur, zum Beispiel
eine Linie oder ein Kreis, der nun in mehreren Teilen in der Röhre verteilt wird
und wieder in seine Ursprungsform gebracht werden muss. Erst wenn man dies
geschafft hat, hat man einen Intervall-Tauchgang erfolgreich abgeschlossen und
man bekommt als Belohnung das nächste Aquarien-Video. Sollte man aber einmal
alle Sequenzen sein eigen nennen, heißt dies nicht zwingend, dass man den
Intervall-Modus keines Blickes mehr würdigt; im Gegenteil: Durch eine
intelligente Mischung aus Highscore-Jagd und einem Wettrennen gegen die eigene
Bestzeit, kehrt man immer wieder gerne zurück und versucht, die Limits noch ein
wenig zu verschieben. Auf der Tiefenskala am rechten Bildschirmrand, auf der
sich der Taucher langsam abwärts bewegt, ist beim erneuten Spielen eines Levels
nun ein roter Pfeil zu sehen, der den Spielfortschritt der bisherigen
Bestleistung anzeigt. Dieses System des "Geist", das man sonst eher in
Rennspielen wie "Mario Kart" oder "1080 Snowboarding" findet, ist hier bei "Art
Style - Aquite" ein wahrer Quell der Herausforderung, wenn man stets seine
eigene Bestleistung, oder gar die eines Freundes, vor Augen hat.
Die Spielgrafik von "Art Style - Aquite" ist, da man sich ja primär mit dem
Verschieben von Quadraten beschäftigt, keine Offenbarung. Aber dennoch gibt es
kaum Aspekte, die negativ auffallen: Die einzelnen Quadrate grenzen sich gut
voneinander ab und werden genauso klar dargestellt wie der Rest der
Spieloberfläche. Einzig der Taucher am Bildschirmrand ist für heutige
Verhältnisse extrem pixelig. Der Hintergrund ist ganz dem Thema
"Unterwasserwelt" entsprechend in angenehmem Türkis-blau gehalten. Auf diesem
befinden sich vereinzelte Luftbläschen. Die Luftblasen, die beim Abbau einer
Linie entstehen, sehen auch wie welche aus und die Drucklinie verschlingt die
Felder nicht abrupt, sondern lässt sie in einem fließenden Übergang langsam
verschwinden. Im Aquarien-Modus darf man dann die wohl am liebevollsten
animierten Meeresbewohner bewundern, die der DS(i) je gesehen hat: Egal ob
Seepferdchen oder Schildkröte, die Mehrheit der Tiere sieht so aus, als ob die
direkt aus dem Korallenriff auf den Topscreen des DSi geschwommen wäre. Zwar
sind sie alle dem neuen Nintendo-Geist entsprechend in Wii-Blau gefärbt, sehen
aber trotzdem "echt" aus, wenn sie eine Bläschenspur hinterlassend ihre Bahnen
ziehen.
Der im Ganzen doch ziemlich gut gelungenen Unterwasser-Eindruck wird
(natürlich) durch die obligatorische Ambient-Lounge-Chill-Out-Gesäusel-Musik
abgerundet, die so sphärisch leicht anmutet, dass sie wohl passender kaum sein
könnte. Die Effekte, die aus dem gleichen Soundschema wie die Hintergrundmusik
zu sein scheinen, fügen sich derart gut in die Musik ein, dass man streckenweise
sogar versucht ist, den Rahmen im Takte der Musik auf- und abzubewegen und nur
gelegentlich eine Linie abzubauen, da so stets neue Momente fragiler
Klangkonstruktionen entstehen, die im nächsten Augenblick schon wieder vorbei
sind. Alles in allem ist die musikalische Gestaltung ein echter Leckerbissen,
wie man ihn wohl nicht bei einem Knobelspiel erwarten würde. Auch die Steuerung
über die Tasten geht sehr flüssig von der Hand und lässt bei keiner Gelegenheit
etwas zu wünschen übrig. Da man die Quadrate im Rahmen wahlweise über das
Drücken der Schultertasten oder "B" und "Y" rotieren lassen kann, kann man sogar
eine persönliche Optimalsteuerung für sich finden. Mit dem Stylus würde das
Spiel vermutlich genauso gut funktionieren, weswegen nicht ganz klar ist, warum
hier gerade auf diesen verzichtet wird. Die Tasten sind definitiv nur für solche
Spieler ein Hindernis, denen der Touchpen bereits an den Fingern festgewachsen
ist.
Fazit:
"Art Style - Aquite" ist durchaus ein Puzzle-Spiel, das zu gefallen weiß, dem
aber leider der letzte Tick fehlt, der es zu einem echten Knaller macht. Wenn
man sich im Vergleich dazu manch anderen Teil der "Art Style"-Serie anschaut,
fühlt man sich hier regelrecht unterfordert. Aber was den Namen der Serie
angeht, wird "Art Style - Aquite" sowohl vom Künstlerischen, als auch vom
Style-Aspekt her gesehen, voll und ganz gerecht, denn was vom Tiefgang her
fehlt, wird durch Atmosphäre und Sound leicht wieder wettgemacht. Wer also einen
Puzzler sucht, der auch ohne viel Aufwand zwischendurch gespielt werden kann,
der liegt mit "Art Style - Aquite" goldrichtig; eingeschweißte Logik-Freaks und
Kopfnuss-Fans können dem Titel zwar auch durch das Vorausplanen von Kombos etwas
abgewinnen, da dies aber nicht zwingend erforderlich ist, wären sie mitunter mit
einem anderen Teil der "Art Style"-Serie besser beraten.
(Michi)
Pluspunkte:
+ Atmosphärisch sehr stimmig
+ Genialer Sound
+ Angenehme Spielerei für Zwischendurch
Minuspunkte:
- Kein Multiplayer
- Ziemlich leicht
Wertung:
Einzelspieler: 7,0

Screenshot

Preis:
500 Nintendo Punkte
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(03.09.2009)