Wer in den 80'ern und 90'ern seine Kindheit und Jugend verbracht hat, wird sie
sicher noch kennen: Michaelangelo, Raphael, Leonardo und Donatello, die vier
maskierten Schildkröten-Ninjas mit dem unglaublichen Heißhunger auf Pizza.
Seitdem die vier zusammen mit ihrem Meister Splinter, einer Ratte, im Jahre 1984
ihr Comicdebüt gaben, waren sie aus den damaligen Kinderzimmern nicht mehr
wegzudenken. Sie waren ein fester Bestandteil der Jugendkultur, ähnlich wie
heute die Pokémon. Egal ob als Comic-Heft, Zeichentrickserie oder im Kino,
überall waren die schrägen Schildkröten präsent und halfen, unterstützt von der
Journalistin April O'Neill, der Gerechtigkeit zum Sieg. 1989 veröffentlichte
Konami schließlich auf dem NES die erste von insgesamt 16(!)
Videospielumsetzungen der erfolgreichen Comichelden, so dass man von da an
endlich auch "selbst" in die Rolle der vier Schildkröten schlüpfen konnte, um
gemeinsam mit ihnen gegen ihren Erzfeind Shredder und dessen Boss Krang zu Felde
zu ziehen.
Die Geschichte beginnt in den Strassen von New York, wo Shredder April O'Neill
entführt hat, um so den Turtles, die sie retten wollen, den Garaus zu machen,
und endet im Showdown mit Shredder im "Technodrome". Dass die Story dabei mehr
oder weniger unvorhersehbare Wendungen nimmt, die das ganze Geschehen sinnvoll
vorantreiben, ist ein durchweg positives Element des Spiels.
In der Schräg-von-oben-Perspektive bewegt man seinen Charakter durch die Gassen
stets auf der Suche nach einem offenen Hauseingang oder wahlweise auch einem
offenen Gully. Hin und wieder begegnen einem dort auch die Foot Clan-Mitglieder,
entweder zu Fuß oder in einem Auto. Das Hauptgeschehen, also die eigentliche
Action, findet aber meist in den Innenbereichen statt. Nur gelegentlich muß man
zum Beispiel mit dem Turtle Party Wagen, einem mit Gewehr und Raketen
ausgestatteten Bus, kleinere Aufgaben lösen, um von A nach B zu kommen.
In den Innenbereichen erkundet man dann in guter alter 2-D Plattformhüpferei mit
dem jeweils ausgewählten Turtle die Umgebung. Währenddessen muß man mit sich
durch Horden von Foot Clan-Kämpfern, Mousern (kleine Roboter, die aussehen wie
eine Mischung aus Snoopy und Hühnchen) und anderen Bösewichtern kämpfen. Jeder
Turtle nutzt dabei seine eigene Waffe, mit der er mehr oder weniger gut gegen
die Feinde ankommt: Leonardo, der Kopf der Truppe, kämpft mit dem Katana
(Schwert), Raphael zeigt sein Geschick mit dem Sai (Dreizack), Michaelangelo,
der Sprücheklopfer, mit dem Nunchaku (zwei mit einer Kette verbundene Keulen)
und schließlich Donatello, der Denker der Truppe, mit dem Bo (Stab). Bereits
nach kurzem Spielen stellt man fest, dass die Effektivität der Waffen und somit
der ihnen entsprechenden Charaktere dermaßen unausgeglichen ist, dass man
eigentlich nur mit Donatello und Leonardo vernünftig spielen kann, bei
Michaelangelo sind die kämpferischen Einsatzbereiche schon ziemlich
eingeschränkt und bei Raphael wird es schon fast unmöglich, ihn sinnvoll
einzusetzen. Deshalb ist es überlebensnotwendig, dass man während der einzelnen
Abschnitte der insgesamt sechs Areas oft die Kämpfer wechselt, was über das
Pausemenü schnell von der Hand geht. Doch sollte man es einmal versäumen, seine
"guten" Recken zu schonen, wird das Spiel schnell zur schier unlösbaren Aufgabe,
zumal man nur zwei Continues, also insgesamt drei Versuche hat, und es keine
Möglichkeit gibt, die besiegten Kameraden zu befreien oder zusätzliche
Wiederholungsversuche zu bekommen. Diese massive Einschränkung, zusammen mit dem
Umstand, dass der Schwierigkeitsgrad schon ab dem zweiten Areal rasant ansteigt,
somit von anspruchsvoll über knackig zu "bockschwer" mutiert, was hauptsächlich
von der immer fizzliger werdenden Plattformspringerei herrührt, lassen das
Spielen zur Qual werden und den nicht so geneigten Spieler schnell den
Controller ins Eck werfen.
Oft sind die Gegner derart unfair positioniert, dass man schlichtweg nicht ohne
Schaden zu nehmen an ihnen vorbei kommt. Geradezu lächerlich sind dahingegen die
"Zwischenbosse", die man beim Durchsuchen der Häuser und Kanäle findet: Im
Regelfall sind es ganz normale Gegner, die man bei "dramatischer"
Musikuntermalung besiegen muss, um in einen neuen Levelabschnitt vorzudringen.
Ungemein erleichtert wird das Vorankommen allerdings durch die diversen Items,
die man findet, um mit ihnen die Turtles aufzurüsten: Mit dem Bumerang zum
Beispiel wird sogar Raphael zu einem durchaus brauchbaren Ninja. Somit kann man
bei diesem Jump'n Run schon fast strategische Grundzüge feststellen, die es dem
Spieler abverlangen je nach Situation den richtigen Ninja Turtle einzusetzen,
der dann auch die richtige Waffe hat oder erst bekommt. Auch der Fakt, dass die
Pizzavorräte, die man in den verschiedenen Gebäuden findet, bei jedem erneuten
Betreten wieder da sind, ist von enormem Vorteil. So wird das Durchspielen
jedoch zu einer langwierigen Angelegenheit, da man häufig zurück zu einer
Pizzastation muss, um seine Lebensenergie wieder aufzufüllen, nur um dann
festzustellen, dass alle bereits besiegten Gegner wieder da sind. Aber gut Ding
will Weile haben! Dies kann man sich nämlich auch zu nutzen machen. Da die
Gegner häufig wechseln, wenn man erneut deren Screen betritt, kann, wo vormals
noch ein mit Laser bewaffneter Androide war, nun ein (vergleichsweise einfacher)
Kettensägenschwinger sein. Auch manche Sprungeinlagen lassen sich gelegentlich
entschärfen, da man oft höher und weiter springen kann, als es den Anschein
hat.
Die Steuerung ist in ihren Grundzügen schnell erlernt und macht keinerlei
Probleme: springen, schlagen, Pause und Waffenwahl - alles sehr intuitiv. Nur
die Umsetzung, wenn es schwieriger wird, vor allem bei den Sprungpassagen,
fordert dem Spieler alles an Fingerfertigkeit ab. Nicht nur die Richtung des
Sprunges, sondern auch die Dauer des Drucks auf den Sprungknopf entscheiden über
Punkt- oder Bruchlandung.
Grafisch findet alles in NES-typischer 8-Bit Umgebung statt, also nichts für
Grafikfetischisten. Doch die Puristen, denen es um das Spielprinzip, die Story
und das reine Erlebnis geht, sollten hier kein Hindernis sehen.
Der Sound fügt
sich angenehm in das Gesamtgeschehen ein, fällt also keineswegs negativ auf.
Sehr positiv ist, dass die Melodien auch heute noch richtig gut ins Ohr gehen,
dadurch, dass sie teilweise sehr mitreißend sind. Einzig und allein der (zu) oft
ertönende Jingle, wenn man stirbt, oder das Warnsignal, dass man nur noch wenig
Lebensenergie hat, nerven mit der Zeit ein wenig und obwohl es sich bei TMHT um
ein Lizenzprodukt handelt, vermisst man die, aus der Fernsehserie bekannten,
musikalischen Themen. Lediglich ein Zitat des Schlusses der originalen
TV-Titelmelodie erklingt beim erfolgreichen Abschließen eines Levels. Im Großen
und Ganzen kann man aber den Soundtrack als durchweg gelungen bezeichnen.
Fazit:
Turtles I ist ein waschechter Klassiker der NES-Geschichte, der eigentlich in
keiner Sammlung fehlen sollte. Dass er als Lizenzprodukt 600 statt der sonst
üblichen 500 Punkte kostet, kann man durchaus in Kauf nehmen. Das größte Manko
bei dem Spiel stellt allerdings der teilweise zu harte Schwierigkeitsgrad dar,
weswegen es auch kein Mainstream-Titel ist, den man mal "einfach so" mal schnell
durchzockt. Man muss einiges an Fingerfertigkeit als Grundvoraussetzung für
dieses Spiel mitbringen, sonst kann es schnell zum Fehlkauf werden. Somit ist
die Zielgruppe eher bei den Zockern zu finden, die auch etwas tun wollen, um
ihren Spaß am Spiel zu haben und auch gelegentliche unfaire Passagen meistern
können und wollen. Dass ein Multiplayer-Modus fehlt, stört nicht wirklich, da
somit erst der strategische Einsatz der verschiedenen Turtles zum Tragen kommt.
Ohnehin spielte man damals meist die Levels abwechselnd, was auch eine, wenn
auch die primitivste Form von Multiplayer ist.
(Michi)
Pluspunkte:
+ Unvorhersehbare Story
+ Abwechslungsreiches Spielgeschehen
+ Turtle Power!!!
+ Mitreissender Soundtrack
Minuspunkte:
- Teilweise unmenschliche Sprungeinlagen
- Unfair platzierte Gegner
- "nur" zwei Continues
Wertung:
Einzelspieler: 7,5
Screenshot 1
Screenshot 2
Preis:
500 Nintendo Punkte
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(03.09.2009)