Vielleicht haben einige von euch in ihrer Kindheit einmal mit diesen kleinen
Plastikbehältern gespielt, in die eine oder mehrere Kugeln eingelassen waren,
welche man durch geschicktes Manövrieren in eine passende Mulde lenken musste.
Vielleicht vergnügen sich auch heute noch einige damit. Andere dürften das
Kugel-Minispiel aus WiiFit kennen, bei welchem es darum geht, verschiedene
Kugeln per Gewichtsverlagerung auf dem Balance Board in ein Loch zu bugsieren.
Equilibrio richtet sich an die Fans solcher Spielmechaniken. Ob nun virtuell
oder real, das Prinzip bleibt immer gleich: Durch Neigen des Untergrunds muss
die Kugel ins Ziel.
Anders als bei WiiFit setzten die Entwickler von DK Games hier auf den 2D-Raum,
was bedeutet, dass ihr euch munter nur von links nach rechts kugelt. Das Spiel
hat sich erfreulicherweise von jeglichem Storyballast befreit (anders als die
unsägliche Geschichte um Niki in „Rock n’ Ball“), sodass man sich gleich frisch
ins Geschehen werfen kann. Seid ihr alleine unterwegs, dürfte euch der
Conquest-Modus am längsten beschäftigen. Hier stellen sich eurem Geschick und
der ruhigen Hand insgesamt 64 Levels in den Weg, die nacheinander gespielt
werden müssen. Das funktioniert streng linear; ihr könnt niemals wählen. Das ist
schon ärgerlich, auch wenn die Entwickler die Möglichkeit eingebaut haben, ein
Level zu überspringen. Seid ihr am Ende, werden die übersprungenen Levels dann
(wiederum entsprechend der strengen Reihenfolge) nachgeholt.
Aber lasst uns in medias res gehen: Ihr haltet in Equilibrio die Wiimote
waagerecht und könnt durch Neigen ihrer selbst das Level gleich mit neigen.
Dadurch übt ihr natürlich Kräfte auf eure Kugel aus, die ihr auf diese Weise bis
zum Levelziel lotsen müsst. Je nach dem, wie stark ihr neigt, desto mehr Fahrt
nimmt sie auf et vice versa. Die Steuerung ist dabei sehr genau, akkurat und
beinahe überpenibel. Eine ruhige Hand ist schon Pflicht. Abwechslung in den
kugeligen Alltag bringt der Neigungsfaktor. Eine Anzeige am oberen rechten Rand
informiert euch über eure Möglichkeiten. Mal könnt ihr nur um wenige Grad
neigen, manchmal den Level komplett auf den Kopf stellen. In der Regel spielt
ihr aber mit gut händelbaren 90°. Entsprechend abwechslungsreich präsentierten
sich die Kugeln. Auch hier hat man keine Ideen gescheut und setzt auf
verschiedenste Formen und Eigenschaften. Die Gummi-Kugel entpuppt sich als
schwer zu bändigender Flummi, während die Stein-Kugel auf keinen Fall aus zu
großer Höhe herabfallen darf, weil sie sonst kaputt ginge. Dem gegenüber steht
die Papierkugel, die ihrer leichten Beschaffenheit wegen von Ventilatoren
emporgepustet werden kann und sich allgemein recht ‚luftig’ verhält. Apropos
Ventilatoren: Die zumeist abwechslungsreich gestalteten Levels enthalten neben
verschiedenen Neigungsfaktoren und unterschiedlichen Kugelformen auch noch
einige weitere Hindernisse. Grüne Säure zersetzt jede Kugel, auch Stacheln sind
kontraproduktiv für euer Fortkommen im Level, während Matten die Stürze von
Steinkugeln abfedern und Trampoline auch aus Nicht-Flummis hüpfende
Springinsfelde machen. All diese Spielelemente machen Equilibrio angenehm
abwechslungsreich. Das Leveldesign selbst fällt dagegen beinahe etwas ab. Zwar
gibt es auch hier unterschiedliche Arten – so muss man manchmal in
Rennspiel-Manier das Level durchsausen, mal sich vorsichtig von ganz oben nach
unten arbeiten oder den Weg durch Labyrinthe finden -, aber es krankt trotz
fairer Rücksetzpunkte am leidigen Try & Error-Prinzip vieler Passagen. Da müssen
Sprünge exakt getimt sein, Fallen im richtigen Moment ausgewichen werden, Flüge
aus Kanonen teils regelrecht auswendig gelernt werden. Interessanterweise
schwankt dann auch der Schwierigkeitsgrad teils bedenklich, wenn man einige
Level beim ersten Mal mit voller Punktzahl beendet, bei anderen aber nach 20
Versuchen nicht mal die Highscore-Liste erblicken kann. Natürlich ist Equilibrio
vornehmlich ein Geschicklichkeitsspiel, das auf Highscores und damit auf die
perfekte Lösung eines Levels pocht, aber beim Normalo-Spieler von heute dürften
viele dieser Bereiche eher Frust hervorrufen als freudige „Gleich noch mal!“-
Rufe. Leider wird das angewandte Highscore-System auch niemals richtig erklärt.
Weder im Spiel noch in der elektronischen Bedienungsanleitung ist die Rede
davon. Sammelbare Objekte, schöne Landungen oder andere tolle Aktionen im
laufenden Spiel, bescheren euch zwar deutlich sichtbar irgendeine Form von
Punkten, aber vornehmlich scheint das schnelle und todlose Absolvieren eines
Levels einen Platz in den Highscore-Listen zu garantieren. Auf die Spitze
getrieben wird das Verwirrspiel durch einen sich angeblich dynamisch anpassenden
Schwierigkeitsgrad. In der Tat startet ihr als kleiner Lehrling bei
Fähigkeitslevel 1 von 5. Gelingen euch einige gute Highscore-Plätze
hintereinander, kann es passieren, dass ihr auf Level 2 hoch gestuft werdet.
Werdet ihr wieder schlechter, geht’s bergab. Eine merkbare Veränderung bewirkte
das in den Testsessions aber nicht. Diese Unklarheiten muten bei einem solchen
Spiel schon etwas seltsam an.
Neben dem Conquest-Modus kann vielleicht noch der Challenge-Modus motivieren.
Hier werden fünf zufällige Levels gespielt, allerdings um zusätzliche
Beschwerlichkeiten bereichert. Dann muss unter Zeitdruck oder mit dem Zwang,
eine bestimmte Anzahl an Objekte aufzusammeln, gespielt werden. Gutes
Abschneiden bringt euch allerdings nicht wirklich etwas, außer einigen Einträgen
in der Trophäenhalle des Spiels. Hier sind bestimmte Meilensteine (z.B.
Absolviere 20 Level im Conquest-Modus; oder: Vollführe eine „perfekte Landung“)
zur Aufgabe gestellt, deren Erreichen eure Motivation erhöhen soll. De facto
aber auch nur etwas für Leute, die sich an „Erledigt“- Symbolen erfreuen können.
Des Weiteren bietet Equilibrio noch einen Mehrspielermodus für bis zu vier
Spieler. Der Bildschirm wird dann entsprechend häufig geteilt und ihr kugelt
gemeinsam um die Wette. Der Conquest-Modus darf sogar zu zweit kooperativ
angegangen werden. Der zweite Spieler darf sich aber nicht beliebig einklinken,
sondern das ganze Abenteuer beginnt von vorn. Von tatsächlicher Kooperation kann
außerdem keine Rede sein. Es ist mehr ein gleichzeitiges Spielen des gleichen
Spiels. Interaktionsmöglichkeiten der beiden Kugeln gibt es nicht; es müssen
lediglich statt einer, nun beide ins Ziel kommen. Highscore-Listen können nicht
mehr erreicht werden. Darüber hinaus gibt es noch zwei Versus-Modi, in denen die
Spieler fünf zufällig gewählte Levels hintereinander spielen müssen. Einmal gibt
es wie in der Formel 1 nach jedem Level eine gewisse Punktzahl, einmal werden
alle Levels direkt und live aneinandergereiht und der schnellste gewinnt,
vergleichbar mit der Wertung der Tour de France. Das funktioniert alles ganz
gut, aber um spannende Matches zu erzeugen, braucht es wirklich vier ähnlich
erprobte Kugelschieber. Zudem wird der Bildschirm bei drei oder vier Leuten arg
klein, was einige Sichtprobleme hervorrufen kann.
Noch ein Wort zur Technik, die leider mehr als dröge daher kommt. Die Grafik ist
simpel, aber zugleich einfach nicht schön und sympathisch. Effekte gibt es in
dem Sinne gar keine, die Farben sind zwar kräftig, aber meistens irgendwelche
Rotbraun- oder Grautöne und auf nette Hintergründe hat man lieber gleich
verzichtet. Besonders ärgerlich ist das starke Aliasing, also das
Kantenflimmern, was natürlich in einem solchen Spiel besonders negativ
auffällt.
Fazit:
Equilibrio ist ein anständiges Geschicklichkeitsspiel, das vor allem durch seine
abwechslungsreichen Level gefällt. Es gibt genug Spielmechaniken, Kugelarten und
interagierbare Objekte, um über die Zeit des Durchspielens zu erheitern.
Ärgerlich ist, dass viele Passagen dann eben doch das Auswendiglernen erfordern.
Doch dafür ist das Spiel eben ein Highscore-Spiel, das auf die Perfektionierung
der Levels wert legt. Dann wiederum ist es unverständlich, warum das
Punktesystem nie erklärt wird und somit beliebig erscheint. Der solide
Mehrspielermodus verzichtet daher gleich ganz darauf. Dieser stellt sicher
keinen Partykracher dar, eignet sich für mehrere Geschicklichkeitsfans aber
dennoch.
(Hendrik)
Pluspunkte:
+ große Abwechslung
+ sehr genaue Steuerung
+ guter Umfang
+ Mehrspielermodus inkl. Koop. für 2 Spieler
+ faire Rücksetzpunkte
Minuspunkte:
- starkes Kantenflimmern
- undurchsichtiges Punktesystem
- viele Try & Error- Passagen
- streng linearer Conquest-Modus
- schwankender Schwierigkeitsgrad
Wertung:
Einzelspieler: 6,0
Mehrspieler: 5,5

Screenshot 1

Screenshot 2

Preis:
500 Nintendo Punkte
news@mag64.de
(03.09.2009)