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Alt-Play: Jason Rohrer Anthology (DSiWare)
Pünktlich zum Silvestertag bescherte uns Nintendo einen echten Kracher für seine DSiWare. Hinter dem etwas ungewöhnlichen Titel "Alt-Play: Jason Rohrer Anthology" verbirgt sich eine Sammlung von drei ebenso ungewöhnlichen Spielen des preisgekrönten Entwicklers und notorischen Querdenkers Jason Rohrer. Der Begriff "Spiel" ist hier jedoch unter Umständen irreführend, da es sich eher um kleine Kunstwerke handelt, die mehr zum Nachdenken anregen sollen, als dass sie unterhaltenden Charakter hätten.

Diese Überlegung versteht man wohl am ehesten, wenn man zum ersten Mal den Titel "Passage" startet. Man darf wohl mit Fug und Recht behaupten, dass es das erste Mal der Fall ist, das es im Hauptmenü eines Spiels den Unterpunkt "Anmerkungen des Programmierers" gibt. Ignoriert man als routinierter Gamer diesen Umstand natürlich elegant, um sofort das Spiel anzuspielen, setzt jedoch sofort eine, nicht zu ignorierende Irritation ein: Nicht nur sieht man anstatt eines ganzen Screens nur einen fitzelig kleinen Bildausschnitt, der sich zwar über die gesamte Touchscreenbreite erstreckt, jedoch kaum mehr als einen Fingernagelbreit hoch ist, man trifft auch auf seinem Weg, den man sich zum gegenüber liegenden Bildrand bahnt, außer einer weiblichen Weggefährtin, auf keinerlei Hindernisse, Gegner oder ähnliches. So rennt man nun für exakt fünf Minuten durch, sich nach und nach verändernde Umgebungen, während sich sein Alter Ego langsam verändert. Doch auch die Gefährtin ist diesem körperlichen Verfall ausgesetzt, weswegen auch sie ergraut (vom Haarausfall bleibt sie jedoch beneidenswerterweise verschont), geht irgendwann nur noch gebeugt und wesentlich langsamer, bis sie schließlich stirbt. Meist hat man kaum die Gelegenheit, diesen virtuellen Schicksalsschlag zu verarbeiten, bis auch die eigene Spielfigur sein Leben aushaucht, womit das Spiel endet.

Wer nun, etwas verirrt einen Blick in die Anmerkungen wirft, stellt fest, dass es sich bei "Passage" um eine Versinnbildlichung des Lebens an sich handelt: Der (Lebens-)Weg ist voll von Entscheidungsmöglichkeiten, die man treffen, oder ignorieren kann. So muss man beispielsweise nicht zwingend die weibliche Person "mitnehmen", man kann sie ebenso umgehen. Auch sind abseits des kürzesten und unbeschwerlichen Weges Schätze versteckt, die man oft nur im Alleingang - also ohne Partnerin - erreichen kann, in manchen Fällen aber wird man sein Ziel nie erreichen. Lässt man sich erst einmal darauf ein, über diese Spielkonzeption zu reflektieren, wird einem erst wirklich bewusst, was für ein außergewöhnliches Stück Software man da in Händen hält. Eine absolut richtige Interpretation gibt es natürlich nicht, so dass jeder selbst auf den für ihn sinnigsten Schluss kommen kann, ohne durch eine vorgefertigte "Moral von der Geschicht" bevormundet zu werden. Aber dennoch kann mit ruhigem Gewissen gesagt werden, dass wohl noch nie das alte Sprichwort "der Weg ist das Ziel" bei einem "Spiel" so zutreffend war, wie es hier der Fall ist.

In den beiden anderen Titeln, "Gravitation" und "Between", finden sich zwar auch derartig philosophische Ansätze in der Spielmechanik, doch sind diese bei weitem nicht so ausgeprägt. Bei "Gravitation" überwindet man durch das Ballspiel mit einem kleinen Mädchen die Erdenschwere, was dem Spieler erlaubt, in riesigen Sprüngen durch ein vertikales Labyrinth zu hüpfen, wo man Sterne einsammeln darf, um diese dann auf dem "Boden der Tatsachen" in einen Ofen zu schieben um Punkte zu erlangen, bevor man durch erneutes sich mit dem Kind beschäftigen wieder auf den Weg nach oben machen kann. "Between" wiederum ist nur mit einem zweiten Mitspieler, der sich per Single-Card-Prinzip einklinken darf, zu spielen. Hier ist es das Ziel, in Teamarbeit Türme auf verschiedenen Gebieten zu errichten, wobei ein gut aufeinander abgestimmtes Handeln die Grundvoraussetzung für erfolgreiches Vorankommen ist.

Spielerisch werden die drei Titel, die sich in "Alt-Play - Jason Rohrer Anthology" vereinen, wohl niemanden vom Hocker hauen. Ist man jedoch offen für die Botschaft beziehungsweise die Denkanstöße, die geliefert werden, so werden sie schnell zu einer unvergleichlichen und vor allem unvergesslichen Erfahrung.

Fazit:
Will man den vorliegenden Titel mit einem einzigen Wort beschreiben, so ist "anders" wohl die beste Wahl. Dieses philosophische Traktat im Pixel-Art-Gewand muss man einfach selbst erlebt haben. Um allein die Tiefgründigkeit von "Passage" zu ergründen, bräuchte es den Umfang einer veritablen Facharbeit. Auch wenn die Grafik kaum über das Niveau des "Ur-Lemmings" hinausgeht und auch das Spielgeschehen keinerlei Action bietet, so ergibt beides zusammen, gemischt mit der vortrefflich passenden musikalischen Untermalung, ein Gesamtkunstwerk, das die Grenzen dessen, was man bis dato gesehen hat, weit hinter sich lässt. Die 200 Punkte, die berappt werden wollen, sollte man auf jeden Fall investieren, um sich dieses außergewöhnliche Werk nicht entgehen zu lassen. (Michi)

Pluspunkte:
+ Einmaliges Erlebnis
+ Höchst philosophische Grundideen
+ Perfektes Zusammenspiel von Grafik, Sound und Gameplay

Minuspunkte:
- Nicht jeder ist offen für die nötigen Betrachtungen

Note:
Einzelspieler: 10,0

Screenshot 1

Screenshot 2

Preis: 200 Nintendo Punkte

news@mag64.de (20.02.2011)

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