Noch immer rollt die Welle der Wii Motion Plus-Spiele nicht so richtig an. Zwar
hat Nintendo das kleine Zubehör, welches für eine deutlich bessere
Bewegungserkennung benötigt wird, dem erfolgreichen Titel „Wii Sports Resort“
beigelegt und vermarktet seit jüngster Zeit auch Wii-Fernbedienungen, die die
neue Technik bereits fest eingebaut haben, aber bis auf wenige Ausnahmen wie Red
Steel 2 oder Grand Slam Tennis nutzt aktuell kaum ein Spiel die Peripherie
wirklich intensiv und sinnvoll. Auf WiiWare gab es bislang sogar gar kein Spiel,
welches die höhere Präzision erfordert. Das ändert sich nun mit „Rage of the
Gladiator“ von Ghostfire Games.
Darin übernehmt ihr die Rolle des Prinzen von Avalance namens Gracius. Die in
wenigen Standbildern erzählte Geschichte liest sich wie eine mythisch
angehauchte Version vom Ridley Scott-Klassiker „Gladiator“: Man hat euch eures
Königreiches beraubt, ihr sinnt auf Rache und kämpft euch dafür den bitteren Weg
durch die Arena. Die Kämpfe gegen die antik-mythischen Sagenfiguren werden dabei
allerdings inhaltlich nicht erklärt. Im Prinzip führt ihr einen Kampf nach dem
anderen und zwischendurch wird auch von der souveränen englischen Synchronstimme
die Geschichte eurer Abenteuer erzählt, die aber mit den Kämpfen zunächst mal
nichts zu tun haben.
Die Story ist es dann auch nicht, was „Rage of the Gladiator“ ausmacht. Vielmehr
sind es die vielen harten Zweikämpfe in der Arena. Nach einem gelungenen
Tutorial, in dem ihr alle wichtigen Bewegungen beigebracht bekommen habt, tretet
ihr auch gleich gegen einen recht generischen Ork an. Den Kampf erlebt ihr dabei
stets durch eure eigenen Augen, also aus der Ego-Sicht. Ihr seht lediglich in
der linken Hand euer Schild, in der rechten das Schwert. Was die Angriffe
angeht, habt ihr nur mit Wii Motion Plus die volle Palette zu eurer Verfügung:
Per Handstreich lasst ihr das Schwert von links nach rechts oder von links nach
rechts. Auch Schläge von oben oder unten sind mit WMP möglich. Für niedrige
Schläge müsst ihr allerdings den B-Knopf gedrückt halten. Wollt ihr den Gegner
überrumpeln, stoßt per C-Button euer Schild nach vorn. Die Angriffssteuerung ist
auf diese Weise schnell erlernt und voll funktional: Jede Bewegung wird als
diejenige interpretiert, die sie sein sollte. Um offenbar eventuelle
Ungenauigkeiten zu vermeiden, haben die Entwickler die Steuerung ohne WMP
allerdings umgestellt: Obwohl auch die Wiimote allein dazu in der Lage ist,
Schläge von links nach rechts zu erkennen und umgekehrt, hat man dies nun so
gelöst, dass für einen linken Schlag der Nunchuk geschüttelt werden muss, für
einen rechten Schlag die Wiimote. Vertikale Hiebe fehlen komplett. Das ist bei
weitem nicht so intuitiv, immerhin funktioniert es technisch aber gut. Wer aber
ohne WMP spielen muss, kann ebenso gut auf die klassische Button-Steuerung
wechseln, die mit quergehaltener Wiimote ebenfalls gute Dienste leistet. Leider
darf man die Steuerungsvarianten nicht während des Spielgeschehens wechseln. Ihr
müsst immer etwas kompliziert ins Hauptmenü zurück und eine entsprechende
Auswahl tätigen. Das hat man bereits besser gelöst gesehen.
Aber zurück zum Kampfgeschehen: Wenn ihr nicht gerade in der Offensive seid,
müsst ihr euch natürlich verteidigen. Blockt Angriffe entweder mit eurem Schild
oder weicht ihnen einfach mit Stick-Bewegungen aus. Das Kampfsystem ist dabei
angenehm abwechslungsreich und variabel, denn manche Attacken lassen sich
wirklich ausschließlich mit dem Schild blocken (beispielsweise Medusas
„Stein-Blick“), anderen dagegen muss aufgrund ihrer Härte zwangsläufig
ausgewichen werden. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass ihr ungeheuer
flink sein müsst und euch schnell die gegnerischen Moves einprägen solltet. Im
Wesentlichen laufen die in angenehmer Lernkurve äußerst anspruchsvoll werdenden
Kämpfe darauf hinaus, dass ihr alle Angriffsbewegungen des Gegners auswendig
lernt und angemessen darauf reagiert. Gnädiger Weise „kündigen“ die
abwechslungsreich gestalteten Opponenten ihre Attacken aber an. Wenn unser
grüner Ork-Freund beispielsweise seinen Speer nach hinten zieht, weiß man, dass
ein frontaler Angriff in die Mitte kommt. Diesem gilt es dann nach Schema F
auszuweichen. Dabei verfügt jeder Widersacher über drei bis vier Angriffe…pro
Phase. Denn um noch ein wenig mehr Schwung in die Kämpfe zu bringen, füllt sich
die Energieleiste des Feindes regelmäßig wieder vollständig auf (eure nicht!!)
und er erlangt von Gott-weiß-wo neue Superkräfte. Der grüne Knilch vom Anfang
bläht sich beispielsweise ganz am Ende zu so ungeheurer Größe auf, dass ihr nur
noch seine Beine malträtieren könnt. Mit zunehmender Spieldauer erhöht sich dann
die Abfolge der gegnerischen Angriffe und die Hinweise darauf, welche Attacke
gleich folgt, werden immer subtiler. In späteren Kämpfen werdet ihr dutzende
Male ins Gras beißen müssen, um alle Bewegungsabläufe verinnerlicht zu haben,
und selbst dann bedarf es guter Koordination und schneller Reflexe.
Ein wenig Taktik bringen die Fertigkeitspunkte ins Spiel. Diese werden am Ende
des Kampfes für gute Leistungen verteilt und dürfen in einem Baum-Menü für
spezielle Fähigkeiten ausgegeben werden. So lernt ihr hier bessere Angriffe,
könnt eure Energieleiste pushen oder die Magiefähigkeiten des Prinzen steigern.
Magie spielt besonders bei den Combos eine Rolle. Betäubt den Gegner (indem ihr
ihn während seiner Angriffsphase an der richtigen Stelle attackiert) und drückt
dann den C-Button, um einen Sturm von Angriffen zu entfachen. Später könnt ihr
dann dank der Fertigkeitspunkte auch Heilzauber anwenden oder eben mächtige
Magieattacken vom Stapel lassen. Dafür muss allerdings dann auch die
Magie-Anzeige stimmen, die bei erfolgreichen Angriffen steigt, bei eigenen
Treffern aber sinkt. Wer übrigens bis zum Ende durchhält, darf noch den
Challenge-Modus freispielen, in dem die Gegner leicht veränderte Angriffsmuster
zeigen und wo nochmal ein neuer Endboss auf den inzwischen durchtrainierten
Spieler wartet.
Grafisch spricht der offizielle Pressetext von einem „der schönsten
WiiWare-Spiele aller Zeiten“, was freilich etwas zu hochgegriffen scheint. Ja,
die Kämpfer sind fein modelliert, bieten viele Details, bewegen sich authentisch
und flüssig und beeindrucken durch großen Abwechslungsreichtum. So trefft ihr
unter anderem auf Medusa, den Minotaurus oder einen flinken Ninja. Doch bleibt
die Arena stets dieselbe und begeistert nicht gerade mit pompösem Anblick.
Darüber hinaus können die Effekte wie Regen oder Feuer nicht vollständig
überzeugen und auch das Art-Design des Gesamtpakets kommt nicht über Mittelmaß
hinaus. Allerdings wissen wuchtige Musikthemen und eine gute, an jeden Kämpfer
einzeln angepasste Sprachausgabe bzw. Geräuschkulisse durchaus zu gefallen.
Fazit:
„Rage of the Gladiator“ ist weder ein Anschaffungsgrund für Wii Motion Plus,
noch definiert es das Genre der Beat em Ups neu. Tatsächlich bleibt auch hier
die Einbindung von WMP weit hinter ihren Möglichkeiten zurück, und de facto
läuft das Gameplay letztlich auf simples Auswendiglernen der gegnerischen
Attacken hinaus. Wo bleibt die 1:1-Kontrolle, wo bleiben größere Innovationen?
Ach, scheren wir uns nicht darum und genießen das, was vor uns liegt. Denn
immerhin funktioniert die Bewegungssteuerung mit WMP richtig gut und ist auch
endlich so präzise, dass man damit ein Kampfspiel dieser Art vernünftig steuern
kann. Ohne das Zubehör geht einiges an Zugänglichkeit verloren, wenngleich das
Spiel auch mit der normalen Button-Steuerung gut spielbar bleibt. Inhaltlich
kann es durch fordernde Kämpfe und das gute Combo-System inklusive
Charakterentwicklung überzeugen, technisch gehört es zum besseren Drittel auf
WiiWare. Was wollen wir denn mehr?
(Hendrik)
Pluspunkte:
+ angenehm unterschiedliche Gegner
+ variables Block- und Ausweich-System
+ gute Sprachausgabe
+ intuitive Steuerung mit Wii Motion Plus,…
+ gelungenes Tutorial
+ angemessener Umfang mit Boni am Ende
+ gute Lernkurve & Schwierigkeitsgrad
Minuspunkte:
- letztlich „Auswendiglernen“
- komplett auf Englisch
- Geschichte nur Beiwerk
- …aber keine 1:1-Steuerung
Wertung:
Einzelspieler: 8,5

Screenshot 1

Screenshot 2

Preis:
1000 Nintendo Punkte
news@mag64.de
(5.12.2010)