Das gemeine Puzzlespiel galt Mitte des Jahrzehnts auf Konsolen eigentlich schon
als ausgestorben. Aber zunächst der Nintendo DS und schließlich die virtuellen
Bibliotheken von Wii und DS haben diesem Genre neues Leben eingehaucht.
Inzwischen erscheint fast jeden Monat ein neuer Titel dieser Fraktion. Mit „Save
the Turtles“ verpackt der Entwickler Sabarasa sein Gameplay in ein zuckersüßes
Konzept, das wohl nicht nur Naturschützer ansprechen wird. Schildkröten führen
bekanntlich ein nicht nur recht langsames Leben, sondern auch ein ziemlich
gefährliches. Ihre vielleicht größte Prüfung absolvieren die Reptilien bereits
kurz nach dem Schlüpfen: Ihre Eier liegen im warmen Sand eines Südseestrandes,
sodann schlüpfen die kleinen Panzerträger und müssen ungeschützt den Weg vom
Strand ins Meer finden. Währenddessen geiern zigtausende Vögel über ihnen und
picken sich wahllos ihr Mittagessen heraus. Die Entwickler verstanden es nun,
aus dieser Problematik ein flinkes Puzzlespiel zu schustern.
Die Kamera blickt im Zenit von oben auf den Strand. Dieser ist eingeteilt in 6x7
Felder. In jedem dieser Felder erscheinen recht zufällig gewisse Zeichen im
Sand, was bedeutet, dass hier ein Ei im Sand liegt. Eure Aufgabe ist es nun, den
Sand des Feldes mit dem Stylus aufzuwühlen (über das Feld wischen!) und das Ei
an die Oberfläche zu bugsieren. Ist es freigelegt, lasst ihr das
Schildkrötenbaby schlüpfen, indem ihr hektisch auf das Ei klopft (auf das Feld
tippen!). Dann schlüpft das Baby und offenbart seine ganz eigene Farbe. Jetzt
muss das kleine Tier nur noch gerettet werden. Unabdinglich dafür ist die
erlösende Flutwelle, die immer genau dann kommt, wenn drei oder mehr
Schildkrötenbabys gleicher Farbe eine horizontale oder vertikale Linie auf dem
Bildschirm bilden. Da die Eier aber wahllos auf den 42 Feldern erscheinen, müsst
ihr also nicht nur jene oben beschriebenen Aktionen durchführen, sondern die
geschlüpften Babys mit gekonnten Manövern auch noch aufreihen. Das funktioniert
sehr eingängig, indem ihr ihnen einfach mit dem Stylus den Laufweg vorzeichnet.
Aber Achtung: Die etwas beschränkten Kröten können auch ihrerseits nur gerade
nach oben/ unten oder rechts/links laufen. Diagonalwege haben sie in ihrem
jungen Alter noch nicht kennengelernt. Liegen dann drei oder mehr gleichfarbige
Schildkröten nebeneinander, schwappt eine spontane Welle über das Bild und reißt
die Tiere in den sicheren Schoß des Meeres und ihr bekommt Punkte auf euer Konto
gutgeschrieben.
Dieses Grundgerüst ist nach wenigen Momenten verinnerlicht und einfach zu
lernen. Die wahre Kunst liegt nun aber darin, dass es flexibel genug ist, um
über 32 Levels zu motivieren. Zwar nervt es auf Dauer ganz gewaltig, dass man
jedes "blöde" Ei erst freischrubben und dann durch Klopfen zum Schlüpfen bringen
muss, allerdings ergibt sich erst aus dieser repetitiven Handlung die nötige
Hektik. Denn auf der einen Seite führt ihr ständig diese stumpfsinnige Arbeit
aus, auf der anderen Seite jedoch müsst ihr euch angesichts enger Zeitvorgaben
schon während des „Wischens“ und „Klopfens“ überlegen, was ihr als nächstes
macht. Und das, obwohl ihr bis zum Akt des Schlüpfens nicht wisst, welche Farbe
euch jetzt erwartet. Was in den ersten Runden angesichts von nur zwei
unterschiedlichen Farben und keinerlei Gegnern noch sehr einfach ist, entwickelt
sich in den höheren Levels zu spannenden und hektischen Gefechten gegen die Uhr.
Richtig schwierig wird es, wenn ihr den Ehrgeiz habt, wirklich alle Schildkröten
zu retten. Ihr bekommt vorher mitgeteilt, wie viele Schildkröten einer Farbe im
Spiel sind. Lassen wir es einmal 20 sein, dann müsst ihr bedenken, dass das mit
ständigen 3er- Reihen nicht aufgehen wird. Wenn dann bis zu sieben
unterschiedliche Schildkrötenfarben auf euch warten oder gierige Greifvögel
hinzukommen, die euch immer wieder eine vielleicht entscheidende Kröte
stibitzen, dann versteht ihr, dass hier Geschick und eine Menge Konzentration
gefragt sind. Um die geschäftige Betriebsamkeit noch weiter erhöhen, brennt die
Sonne bisweilen ganz erbarmungslos auf den Strand, sodass die kleinen Babys
zunächst heftig ins Schwitzen geraten und schließlich Feuer fangen. Und was
passiert wohl, wenn sie zu lange brennen? Details erspare ich den Naturfreunden.
Prinzipiell sollte man in dem Fall entweder flugs die rettende Welle
herbeiorganisieren, oder zumindest mit dem Stylus eine Portion Wasser aus dem
Meer fischen, um wenigstens einzelne Schildkröten zu löschen. Nur dann können
sie sich nämlich auch bewegen.
Abkühlung verschaffen aber auch gelungene Kombos, die beispielsweise die Sonne
sinken lassen, sodass die Schildkröten nicht überhitzen können. Natürlich dienen
diese Kombos auch dem Punktekonto. Überhaupt sind sie eine große Stärke des
Spiels. Fleißige, aber wenig vorausschauende Spieler werden vielleicht das Ende
sehen, aber viele Goldmedaillen (als Auszeichnung für eine bestimmte Punktzahl)
werden sie nicht erhalten. Das klappt nur, wenn man klug kombiniert und anstatt
der einfachen 3er-Reihen auch 4er-, 5er- oder gar 6er Kombinationen entwickelt.
Möglich ist es auch, zwei 3er-Reihen unterschiedlicher Farbe zu arrangieren und
so weiter. All das hilft zum Teil ganz konkret in der Spielsituation (siehe
Sonnenuntergang) oder bringt eben viele viele Punkte.
Weitere Variation bringen Items, die das Meer mehr oder weniger zufällig an den
Strand spült. Eure Babys laufen dann schneller, können auch Schluckauf bekommen
(süüüßß!) und sich dann nicht mehr bewegen, fressen vielleicht das Falsche und
wollen dann gekrault werden und so weiter. Die Items sind eine nette Sache, aber
leider so vielfältig und oft vorhanden, dass man sie kaum bewusst einsammelt
oder vermeidet. Meistens nimmt man sie doch eher durch Zufall auf, was
allerdings nicht weiter wild ist, da sie den Spielverlauf nicht essentiell
beeinflussen. Zufall ist leider auch die Gestaltung des Strandes mit seinen 42
Feldern. Einige davon sind bisweilen mit Baumstämmen oder Steinen bedeckt,
sodass dort keine Schildkröten schlüpfen und man diese Hindernisse umgehen muss.
Hier wäre es fein gewesen, wenn die Entwickler sich Gedanken gemacht und ganz
bewusst die Levels aufgebaut hätten. So aber verschiebt die große Welle die
Levelinhalte wahllos. Das sorgt für Abwechslung und immer neue Situationen, ist
aber natürlich nicht sonderlich ausgefeilt.
Wer die 32 Aufgaben des „Rette die Welt!“-Modus komplettiert, schaltet nach und
nach neue Modi frei. Bald darf man ein schnelles, zufälliges Spiel beginnen,
bald öffnet sich der Modus „Flutwelle“, in dem die Besagte plötzlich völlig
zufällig heranrauscht und nicht mehr nach 3er- Kombinationen. Schließlich darf
der Spieler in „Turtles forever“ auch noch in einer Art Endlosmodus gegen die
Uhr antreten. Gelungene Kombinationen bringen in einem immer schwieriger
werdenden Szenario zusätzliche Zeit und ihr spielt, bis diese schließlich
abgelaufen ist.
Grafik und Sound präsentieren sich für ein Puzzlespiel überdurchschnittlich gut.
Der ganze Stil ist in einem zuckersüßen Comic-Look gehalten und glänzt zumindest
im Topscreen mit toll gezeichneten Hintergründen aus aller Welt. Vom Strand
selbst darf man natürlich nicht allzu viel erwarten, doch die Liebe zum Detail
drückt sich allenthalben aus, wenn beispielsweise nach einer Löschaktion kleine
Rauchschwaden vom Panzer der Schildkröten aufsteigen oder sich die Gräser sanft
im Wind wiegen. Die Hintergrundmelodien sind zwar wahrlich keine Ohrwürmer,
stören aber auch nicht und passen sich den Landschaften, in denen man gerade die
Schildkröten rettet, angenehm an.
Fazit:
Anders als die kitschige Aufmachung des Titelscreens es vermuten lässt, steckt
in „Save the Turtles“ ein durchaus ernstzunehmendes Puzzle-Spiel. Wie es sich
gehört, ist die Grundidee angenehm einfach – und dennoch relativ erfrischend neu
-, aber entwickelt sich im Laufe des Spiels zu einem packenden Konzept, dass
große Hektik mit einer feinen Portion von Planungsvermögen kombiniert. Besonders
positiv ist es, dass es dem Spiel gelingt, immer wieder neue Elemente
einzufädeln, die das Geschehen in einer guten Lernkurve komplexer machen, ohne
den Rahmen unnötig aufzublähen. Das andauernde Gewische und manchmal dezent
unpräzise Geklopfe mag nervig sein, dient aber der Hektik und damit dem
Spielgefühl. Wer auf schnelle Denkspiele und Highscore-Jagden (nur offline!)
steht, darf gefahrlos zugreifen.
(Hendrik)
Pluspunkte:
+ sofort zu begreifendes Spielprinzip
+ stetig kommen mehr Inhalte hinzu
+ gute Lernkurve
+ gelungenes Kombo/ Highscore-System
+ Liebe zum Detail
+ verschiedene Spielmodi
Minuspunkte:
- „Wischen“ & „Klopfen“ repetitiv
- zufälliges Leveldesign
- Items wenig berücksichtigt
- keine Online-Ranglisten
Wertung:
Einzelspieler: 8,0

Screenshot 1

Screenshot 2

Preis:
500 Nintendo Punkte
news@mag64.de
(14.11.2010)