Das Nintendo 64 hatte nicht gerade viele Titel, die direkt zum Start der damals
revolutionären 3D-Konsole verfügbar waren. Natürlich beanspruchte Super Mario 64
das Gro der Aufmerksamkeit für sich, aber im Prinzip nicht weniger wegweisend
war Wave Race 64. Der Titel kam ein wenig aus dem Nichts, war der isometrische
GameBoy-Vorgänger aus dem Jahre 1992 doch längst in Vergessenheit geraten.
Dennoch hatte man bei Nintendo scheinbar erkannt, dass nicht nur Mario in seiner
komplexen 3D-Welt die Hardware-Fähigkeiten des N64 unter Beweis stellen konnte,
sondern auch dieses Jet-Ski-Rennen.
In der Tat stellte das Spiel damals eine Art Technik-Demo war. Nie zuvor hatte
man in einem Videospiel so feines Wasser sehen können, niemals die Wellen besser
spüren können. Heute – auch angesichts des grafisch opulenten
GameCube-Nachfolgers – überwältigt die teils kantige Grafik niemanden mehr, doch
das sagenhafte Gefühl, dass das Wasser jeden Augenblick aus dem Fernseher
quillt, stellt sich auch heute noch ein. Das liegt am beinahe perfekten
Zusammenspiel von butterweicher Steuerung und angenehm realistisch-dynamischer
Wellendarstellung. Ihr habt euer Jet-Ski mit dem linken Analog-Stick einfach
jederzeit perfekt unter Kontrolle, sodass jede Welle zu einem großen Abenteuer
wird. Ihr müsst lediglich Gas geben und den Rest erledigt der Stick. So könnt
ihr im klassischen Sinne nicht bremsen, was angesichts der einfallsreichen
Streckenführung aber auch nicht nötig ist. Enge Kurven nehmt ihr ganz galant,
indem ihr den Stick beispielsweise streng nach unten zieht, und auf diese Weise
euer Gefährt fast um 180° drehen könnt. Das erfordert einige Übung, fühlt sich
letztlich aber absolut natürlich an. Spätestens hier staunt dann auch der Mensch
des 21. Jahrhunderts, denn Steuerung, Streckenführung und Technik liegen auf
einem Niveau, welches auch heute selten in Rennspielen erreicht wird. Die
Wasserdarstellung ist kein reiner optische Blender, sondern wirkt sich gekonnt
auf euer Gefährt aus. Das heißt, dass die von links heranrauschende Welle euch
auch tatsächlich nach rechts wirft; das heißt, dass starker Seegang den kleinen
Jet-Ski auf und ab sinken lässt; das heißt, dass manch einfache Kurve bei Sturm
zu einem großen Problem wird. Und genau diese Kombination aus Variabilität und
Glaubhaftigkeit macht auch heute noch den großen Reiz des Spiels aus.
Dabei ist es im Kern ein inzwischen ziemlich veraltet wirkendes Rennspiel. Gegen
drei Gegner kämpft ihr in insgesamt vier Cups um die Krone. Je höher der
Schwierigkeitsgrad, desto aggressiver fahren eure CPU-Kollegen, desto höher sind
die Anforderungen an eure Mindestpunktzahl und desto mehr Strecken müssen
absolviert werden. Lässt man den Übungsparcour namens Dolphin Park einmal außen
vor, so existieren acht Strecken in jeweils sehr unterschiedlichen Umgebungen
(ruhiger See, sonniger Sandstrand, stürmischer Industriehafen, fieses Eisgebiet
usw.). Das ist nicht gerade viel und so kommt es, dass bei einer Höchstdauer pro
Streckenrunde von 40-50 Sekunden das Spiel im Meisterschaftsmodus theoretisch
nach gut einer Stunde durchspielt sein könnte. Allerdings werdet ihr spätestens
ab dem dritten von vier Schwierigkeitsgraden ordentlich gefordert. Da Wave Race
64 ein Spiel der alten Schule ist, gibt es natürlich keine modernen
Kinkerlitzchen wie eine Rückspulfunktion, sodass jeder Fehler gnadenlos bestraft
wird. Nicht einmal eine „Neustart“-Funktion ist vorhanden. Man kann lediglich
die ganze Meisterschaft von vorn starten, was dann prompt auch ein paar Mal
passieren wird. Dafür sorgt nicht zuletzt das Bojen-System von Wave Race 64. So
müsst ihr nicht einfach den Kurs absolvieren und möglichst als erster ins Ziel
kommen, ihr müsst auch rote und gelbe Bojen jeweils rechts bzw. links umfahren.
Wer mehr als vier Bojen falsch umfährt, beendet das Rennen sofort mit null
Punkten. Wenn ich zuvor von toller Streckenführung gesprochen habe, dann sind
speziell diese in späteren Rennen teils ‚interessant‘ aufgestellten Bojen
gemeint, die wesentlich zum Fahrspaß beitragen. Allerdings ist auch dieses
System nicht perfekt gelöst. Dadurch, dass man vier Bojen auslassen darf,
ergeben sich auf mancher Strecke gute Abkürzungsmöglichkeiten, die eigentlich
nicht existieren sollten. Zwar wird die Motorgeschwindigkeit dann etwas
gedrosselt (diese ist nur maximal, wenn man mindestens fünf Bojen korrekt
umkurvt hat), aber diese Strafe ist viel zu lasch und macht sich in der Praxis
auch kaum bemerkbar. Zumal die CPU-Gegner auf den Geraden sowieso immer nur mit
halber Kraft zu fahren scheinen. Neben der Meisterschaft darf sich der
Einzelspieler noch in reinen Time-Trial-Rennen austoben, um so seine Performance
zu verbessern. Hier mag es sich dann auch lohnen, sein Jet-Ski in Sachen
Beschleunigung, Steuerung und Kurvenverhalten nachzujustieren, um weitere
Zehntel herauszuholen. Während der Meisterschaft ist das zwar auch möglich, aber
kaum nötig, da die Standardwerte für ein erfolgreiches Gelingen absolut
ausreichen. Für diese Zeitrennen kann man schließlich auch noch umständlich in
den Optionen einstellen, dass man Strecken mit anderen Wetterverhältnissen
fahren möchte. So könnte man dem ansonsten immer sehr ruhigen „Drake Lake“ nun
hohe Wellen verpassen. Da die Zeiten dann aber nicht mehr gespeichert werden,
verfällt das Ganze zu einem netten Gimmick, einfach um mal das Was-wäre-wenn
auszuprobieren. Für den Zwei-Spieler-Modus ist diese Wetterveränderung
vielleicht interessanter. Dieser kommt ohne CPU-Bots daher und ist ein reiner
Versus-Modus. Schade, dass die Meisterschaft nicht wie in Mario Kart zu zweit
gefahren werden darf. Dafür läuft dieser Modus immerhin flüssig, auch wenn
deutliche grafische Einbußen hingenommen werden müssen. Beispielsweise wird das
schöne Wasser nur in unmittelbarer Nähe gezeigt. Wenige Meter voraus schimmert
es dann nur noch blau. Dank Modi- und Optionsarmut taugt dieser reine 1v1-Modus
wirklich nur für zwei beinharte Wave Race 64- Freaks, die es sich gegenseitig
beweisen wollen.
Zuletzt ist ein Stunt-Modus integriert worden, in dem man durch Ringe fährt und
auf Rampen einige wenige Stunts zeigen darf, die per Tasten- und
Stickkombinationen ausgeführt werden. Das Ganze ist nett gemacht, wirkt aber
irgendwie wenig in das Spiel integriert.
Bei der Portierung auf die Wii haben die Entwickler übrigens einige nette
Details verändert. So erstrahlt das damals rote Nintendo-Logo nun auch in diesem
Spiel im modernen grau. Außerdem prangt bei der Siegerehrung neben einem
N64-Logo plötzlich der Nintendo DS Lite- Schriftzug und aufmerksame Fahrer
werden auch das Wii-Logo auf mancher Strecke erspähen. Leider hat man sich bei
Nintendo aber nicht darum gekümmert, die hässlichen und relativ dicken
PAL-Balken am oberen und unteren Bildschirmrand zu beseitigen. Ein Relikt der
90er Jahre.
Fazit:
Obwohl Wave Race 64 inzwischen 13 Jahre auf dem Buckel hat, ist die Mischung aus
perfekter Spielbarkeit und toller Technik (im Rahmen der Möglichkeiten des N64)
bis auf den direkten Nachfolger immer noch konkurrenzlos. Auch heute noch kann
man nur mit der Zunge schnalzen, wenn man in flüssigen, intuitiven Bewegungen
über die rauschenden Wellen brettert und Spieldesign, Controller und Spielerhand
fließend ineinander übergehen. Dieses Gefühl ist dann schließlich auch locker
die 10 Euro wert, die man für den Download ausgeben muss, auch wenn das
Rennspielgerüst mit seinem starren Cup-System, den wenigen Rennstrecken, dem
mickrigen Mehrspielermodus und anfälligem Bojen-System insgesamt doch in die
Jahre gekommen ist. Dieses Spiel wird auch all jenen gefallen, die das Original
nicht kennen. Es lohnt sich.
(Hendrik)
Pluspunkte:
+ tolle Steuerung
+ glaubhafte Wasser- und Wellendarstellung
+ makellose Streckenführung
+ unterschiedliche Wetterlagen
+ saubere Kollisionsabfrage & Framerate
+ flüssige Animationen
Minuspunkte:
- nur 8 Strecken
- Bojen-System kann ausgetrickst werden
- dicke PAL-Balken
- langweiliger 2-Spieler-Modus
- nur umständlich änderbare Wetterverhältnisse
Wertung:
Einzelspieler: 8,0
Mehrspieler: 3,5

Screenshot 1

Screenshot 2

Preis:
1000 Nintendo Punkte
news@mag64.de
(10.11.2010)