Lang lang ist’s her, dass das selige Rare (Mögest du in Frieden ruhen!) zum
Zeitpunkt der Jahrtausendwende die Idee hatte, beim EgoShooter Perfect Dark die
damals populäre GameBoy Camera zu verwenden, um per Übertragung auf das N64 die
Gesichter von Freunden in das Spiel zu transferieren. Die absurd-makabre Idee
wurde aufgrund diverser Proteste verworfen; immerhin handelte es sich um einen
knallharten EgoShooter. Jahre später greift Nintendo das Konzept nun wieder auf,
verpackt es aber in ein nicht ganz so ernsthaftes Spiel und präsentiert „Photo
Dojo“.
Für 200 Nintendo Punkte setzt auch die japanische Traditionsschmiede das
vielleicht simpelste und oberflächlichste Beat em Up vor, das ihr jemals
gespielt habt. Beat em Up - das sagt dem modernen Nintendo-Fan vielleicht
weniger etwas - das sind die Spiele, bei denen man häufig eine ganze Reihe
sinnlos erscheinender Tastenkombinationen auswendig lernen muss, die darüber
hinaus die Finger zu wahrer Akrobatik fordern. Das dient dann speziellen
Special-Moves, die dem einzigen Gegner gehörig einheizen sollen. Von all dem ist
in Photo Dojo praktisch nichts übrig geblieben. Sogar 1 vs. 1-Duelle sucht man
im Einzelspielermodus vergeblich. Stattdessen offeriert euch das Spiel lediglich
einen Marathon-Modus, in dem ihr von links nach rechts laufend bis zu 100 Gegner
verprügeln sollt. Apropos „verprügeln“: Die Steuerung ist denkbar einfach
gehalten. „Rechts“ (auf dem Steuerkreuz) drücken, bedeutet nach rechts laufen.
Mit „oben“ könnt ihr zudem springen, ansonsten braucht es nur den A-Knopf.
Dieser löst einen Tritt aus. Drückt ihr nach „rechts“ und „A“, schlagt ihr zu.
„Links“ und „A“ löst ganz Street Fighter-like einen Energieball aus. Mit „Unten“
und „A“ schließlich präsentiert ihr dem grenzdebilen Gegnervolk eure
Spezialattacke. Diese ist abhängig vom zuvor gewählten „Kampfstil“. Nun ja, von
Stilen kann nicht wirklich gesprochen werden, es ändert sich eben wie gesagt
lediglich diese Spezialattacke. Der „Magier“ geht dann eben magisch vor, der
„Barbar“ eher – ihr erratet es – barbarisch roh.
Man muss ganz ehrlich sein: Dieses Spielkonzept hätten drei Praktikanten in der
Kaffeepause zusammenzimmern können. Das Ganze ist wirklich extrem flach, bietet
weder eine Lernkurve noch irgendeine tiefergehende Motivation. Getragen wird das
Konzept einzig und allein von der charmanten Aufmachung und der Idee der Fotos.
Der Titel und die Einleitung zu diesem Test haben es ja bereits angekündigt: Bei
Photo Dojo handelt es sich eben nicht um ein übliches Beat em Up, wo man aus
zahlreichen Fantasiefiguren und –stages wählen kann. Hier wird alles selbst
gemacht. Bevor ihr überhaupt einen Schlag schlagen oder einen Tritt treten
könnt, muss ein Kämpfer erstellt werden. Euer DSi fragt euch dabei sogar, ob ihr
einen Freund/ eine Freundin zur Hand habt, die euch fotografieren kann, oder
nach wie vielen Sekunden der Selbstauslöser anspringen soll. Letzteres
funktioniert freilich, die besseren Ergebnisse und den größeren Spaß liefert
aber die Fotosession mit mehreren Leuten. Man kann es sich kaum vorstellen, aber
die passenden Fotos zu den (für den Alltagsmenschen) völlig bescheuerten
Befehlen zu machen, gestaltet sich als DAS Highlight des Spiels. Ihr müsst zum
Springen den Mario machen, euer Gesicht zu einer Fratze verziehen, für die
Niederlage traurig gucken, treten, schlagen, euch ducken und für die Spottpose
fies lachen. Damit die Fotos gelingen, wird für jede Haltung auf eurem Screen
ein Ausschnitt markiert, den ihr möglichst mit eurer Figur ausfüllen solltet.
Leider bietet das Programm keinerlei Möglichkeiten mehr, eure Bilder
nachträglich weiter zu bearbeiten (um beispielsweise nervige Ränder noch manuell
auszubessern; um von automatischer Randerkennung gar nicht erst zu sprechen).
Sind die Bilder im Kasten, geht es an die Soundaufnahmen. Auch hier müsst ihr
für jede Beat em Up-Lebenslage den passenden Spruch bringen: Was sagt man
beispielsweise, wenn der Charakter einen Energieball loslässt? Mit solchen
Fragen werden sich die wenigsten bisher beschäftigt haben, weshalb auch dieser
Abschnitt umso witziger ist. Auf diese Weise dürft ihr bis zu acht Charaktere
speichern, was völlig ausreichend sein sollte. Um nun endgültig loslegen zu
dürfen, fehlt nur noch das Areal, in dem ihr kämpft. Auch das will natürlich
zuvor fotografiert werden. Bedenkt dabei, dass ihr im unteren Bereich des Bildes
schlicht von links nach rechts rennt. Leider dürft ihr hier jeweils nur ein Foto
machen, welches sich dann im 1 vs. 100-Modus einfach endlos wiederholt (wie bei
den Fahrszenen in alten Trickfilmen, wo ein und derselbe Baum nach 3 Sekunden
immer wieder auftauchte).
Nachdem ihr witzige Minuten im Stile von Germanys Next Topmodel verbracht hat,
holt euch dann allerdings das triste Spielprinzip wieder auf den Boden der
Tatsachen zurück. Natürlich seid ihr nach all der Mühe begierig darauf, sich mit
dem eigenen Alter Ego in den Kampf zu stürzen, doch wird der 100-Mann-Kampf bald
zur Posse, ohne dabei wirklich Spaß zu bringen. Witziger könnte da schon der
Kampf gegeneinander werden. Im Zweispielermodus seid ihr allerdings darauf
beschränkt, an einem DSi zu kämpfen. Spieler 1 hält den DSi mit der linken Hand
fest und greift den L-Button und das Steuerkreuz, Spieler 2 nimmt die rechte
Hand und somit die Buttons und den R-Knopf. Während die Schulterbuttons nun den
„A“-Knopf symbolisieren, bilden Steuerkreuz bzw. Knöpfe die Laufrichtung ab. Die
Idee ist gut und kurzzeitig macht der Kampf gegeneinander auch durchaus Laune,
dann verödet er aber im seichten Gameplay. Spätestens nachdem sich beide Spieler
an den eigenen Charakteren und den witzigen Animationen sattgesehen haben,
erschöpft sich jede Motivation schnell. Schade auch, dass man WiFi-Duelle –
online wie offline – ebenfalls komplett außen vor gelassen hat. So muss man
immer auf die letztlich doch etwas unbequeme „2 Spieler – 1 Handheld“-
Geschichte setzen.
Fazit:
Nintendo wusste, was sie taten, als man sich entschloss, Photo Dojo für den
günstigen Preis von nur 2 Euro anzubieten. Angesichts dessen kann ich doch trotz
aller berechtigten Kritik am stumpfsinnigen und wenig motivierenden Kampfsystem
eine Empfehlung aussprechen. Und diese geht sogar über die Genre-Grenze hinweg:
Photo Dojo ist zwar im Kern irgendwo ein Beat em Up, wurde aber so stark
karikiert, dass es im Prinzip seinen ganzen Spielspaß aus den lustigen
Fotosessions holt. Dass man dann im Anschluss auch noch einige Minuten wahllos
Tasten drückt, um die gemachten Fotos auch mal in Bewegung zu sehen, ist beinahe
zweitrangig. Somit ist Photo Dojo ein lustiges Programm für zwischendurch, das
allen Menschen, die sich für einen solchen Quatsch nicht zu schade sind,
kurzfristig wirklich gefallen dürfte. Ernsthafte Beat em Up-Fans und kameraphobe
Menschen werden dagegen schreiend davon laufen.
(Hendrik)
Pluspunkte:
+ absolut witzige Fotosessions
+ spaßbringende Integration der Fotos
+ Zweispielermodus mit nur einem DSi
+ Steuerung in 1 Minute zu lernen
+ je 8 Speicherplätze für Charaktere u. Stages
Minuspunkte:
- oberflächlichstes Gameplay
- nur ein Spielmodus für Einzelspieler
- nur ein Spielmodus für zwei Spieler
- kein WiFi-Modus
- keine nachträgliche Fotobearbeitung möglich
- extrem wenig Inhalt
- sich ständig wiederholende Soundsamples
Wertung:
Einzelspieler: 6,5
Mehrspieler: 7,5

Screenshot 1

Screenshot 2

Preis:
200 Nintendo Punkte
news@mag64.de
(21.07.2010)