Die Japaner sind dafür bekannt, das ein oder andere Spiel auf den Markt zu
bringen, welches in hiesigen Gefilden vielleicht nicht ganz den Massenmarkt
trifft. Selbst Nintendo, deren Produkte sich oftmals trotzdem als Kulthits
erwiesen, hat einige solcher Kultur-Schocker veröffentlicht, wenn man nur mal an
Tingles Abenteuer auf dem DS denkt oder an den kuriosen Auftritt allerlei
ausrangierter B-Videospielpromis in „Captain Rainbow“ (u.a. mit einem sexuell
verwirrten Birdo). Nicht weniger kurios, um nicht zu sagen abstrus präsentiert
sich BandaiNamcos Muscle March.
In diesem völlig überdrehten Japano-Geschicklichkeitsspiel wählt ihr einen von
sieben abgehalfterten Bodybuildern und jagt jeweils einem Dieb hinterher, der
euren Super-Mucki-Drink gemopst hat. Die Charaktere sind dabei genauso
bescheuert wie das gesamte Spiel: Der schwarze Muskelmann Tony aus den USA ist
noch der „normalste“, vergleicht man ihn mit Kuriositäten wie der
muskelbepackten Pippi-Langstrumpf Imitation Brenda oder dem Eisbär aus Norwegen
in orangener Unterhose namens Rossi. Abgesehen davon, dass es witzig ist, haben
die einzelnen Charaktere aber nichts zu bedeuten. Sie unterscheiden sich weder
in euren Statuswerten noch in ihren Fähigkeiten. Gut, das müssen sie auch nicht
wirklich, denn „zu tun“ gibt es in diesem Sammelsurium japanischer Verrücktheit
auch nicht wirklich viel. Das, was aus der Entfernung wie Gameplay aussieht,
besteht im Prinzip nur aus vier simplen Kommandos, die ihr zunehmend schneller
durchführen müsst. Wie erwähnt, tapert euer Intelligenzmonster zunächst mehr
oder weniger schnell ganz hinten in einer Reihe hinter dem Dieb her. Die
unterschiedlichen Langfinger (die im Übrigen genauso wunderbar schräg gestaltet
wurden wie die „Helden“) jagen jeweils auf einem bestimmten Kurs durch eine der
drei Umgebungen und ihr folgt ihnen auf Schritt und Tritt. Geboten werden eine
Großstadt, ein japanisches Dorf und eine Weltraumstation. Wie auf Schienen rast
ihr durch die Gebiete, ohne dass ihr dabei auch nur irgendeinen schönen
grafischen Effekt bestaunen könnt. Simpelste Texturen und Strukturen prägen das
Bild, zudem sind alle sogenannten Details auf hässlich verpixelten 2D-Sprites
angebracht. Im Allgemeinen erinnert die Optik an vergangene
Nintendo64-Anfangstage, im Speziellen an Titel wie Cruis’n USA, welches damals
mit ähnlichen 2D-Sprites „überzeugte“. Dem Ganzen kann man einen gewissen Charme
nicht absprechen, dennoch darf unter dem Deckmantel des guten-schlechten Stils
nicht jede technische Frechheit ungenannt bleiben.
Während ihr also so durch die Levels prescht, schert sich der Dieb vorne einen
Dreck um Wege und Türen. Ganz im Gegenteil: Immer wieder hetzt er ganz bewusst
durch Holzverkleidungen, Steinwände und ganze Felsmassive. Dabei kennt er
insgesamt vier unterschiedliche Art und Weisen: Beide Arme gehoben, beide Arme
unten, den rechten Arm gehoben, den linken Arm gehoben. Dadurch erklären sich
sodann auch die angesprochenen vier Gameplay-Kommandos. Eure Aufgabe besteht
lediglich darin, Wiimote und Nunchuk in die entsprechende Position zu bringen.
Nach und nach werden die anderen Bodybuilder vor euch in der Reihe über
Bananenschalen stolpern, sodass ihr dem Bösewicht zwar immer näher kommt, sich
aber zugleich das Zeitfenster für eure Reaktion immer weiter verengt. Zuletzt
rast ihr mit unglaublicher Geschwindigkeit durch den Parcours und müsst absolut
konzentriert sein.
Leider schlägt euch die Steuerung ein ums andere Mal ein Schnippchen. Zwar
erkennt Muscle March die Haltung eurer Controller insgesamt recht präzise,
dennoch kommt es immer wieder zu kleineren, nervigen Missverständnissen.
Letztlich hat es sich als probates Mittel erwiesen, keine ausufernden Bewegungen
zu vollführen (wie es die kurze Erläuterung im Spiel nahelegt), sondern
lediglich Wiimote und Nunchuk von einer senkrechten Position (im Spiel bedeutet
das „beide Hände oben“) in eine waagerechte zu bringen („beide Händen unten“).
Wenn ihr dagegen reell die Arme hebt, kommt es sehr viel häufiger zu
Fehlinterpretationen. Bei nur fünf erlaubten Fehlern kann das schnell frustig
werden.
So witzig das Spiel auch gestaltet wurde, beim Umfang zeigten die Entwickler
keinen Humor. Lediglich die drei angesprochenen Kurse (mit je drei
Unterabschnitten) befinden sich im Download-Paket. Freispielbaren Inhalt kennen
die Muskelmänner nicht und selbst Bestenlisten oder so etwas in der Art gibt es
nicht. Nur ein kleiner irrsinniger Tanzauftritt und eine nicht speicherbare
Bewertung zeugen von eurer Leistung am Ende eines Levels. So verpufft die
Verrücktheit schon sehr bald, denn die drei Levels sind in ein paar Minuten
durchgespielt. Wobei die optische Abwechslung auch die einzige bleibt. Denn die
japanophile Dudelmusik mit ihrem halben Dutzend wiederholt sich genauso
beständig wie das eigentliche Spielgeschehen, welches außer der kleinen
Steigerung im Schwierigkeitsgrad nach den ersten paar Sekunden nichts Neues mehr
aufzuweisen hat.
Da hilft auf Dauer dann auch der Mehrspielermodus für bis zu vier Spieler nicht.
Dieser ist leider prinzipiell nur nacheinander spielbar und bietet lediglich
einen Spielmodus: Passiert so viele Wände wie möglich! Beim dritten Fehler ist
Schluss und am Ende siegt, wer am meisten Wände durchquert hat. Das ist zwar
super simpel und dürfte jedem Partygast auch noch mit X Promille einleuchten,
kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das viel zu wenig ist, um Spieler
länger als zwei Minuten an die Konsole zu binden.
Fazit:
„Die spinnen, die Japaner!“, würde ein großer, starker Gallier sagen. Muscle
March ist derartig extrovertiert, verrückt und daneben, dass man es einfach
nicht ernst nehmen kann. Nein, dieses Spiel entzieht sich jeder objektiven
Bewertung. Ihm fehlt einfach alles, um ein gutes Spiel zu sein. Dennoch wird es
für eine begrenzte Weile den einen ganz superb, den anderen immerhin ein wenig
unterhalten. Es ist eben in seiner Art einzigartig. Dafür sorgen die
klischeehafte und alberne Menüführung, die abstruse Handlung und die
90er-Jahre-Gedenk-Grafik (und Musik). Dass es trotz dieser durchaus gelungenen
Aspekte für ein gutes Spiel nicht reicht, liegt daran, dass man bei allem
Drumherum das „Spiel“ vergessen hat. Andauernd vier Bewegungen nachzumachen, ist
einfach auf Dauer zu wenig. Und nach einer halben Stunde braucht der
Otto-Normal-Deutsche dann vom Farben-Overkill auch eine Pause und im
Zweifelsfall wird er dann nie wieder in die Welt der bescheuerten Muskelmänner
zurückkehren.
(Hendrik)
Pluspunkte:
+ absolut bekloppter Stil & Story
+ völlig sinnfrei
+ leicht zu erlernen
+ größtenteils gute Bewegungserkennung
Minuspunkte:
- spielerisch ultra (!)- flach
- wenig echter Inhalt
- keine Bestenlisten
- …die bei Bewegungen doch öfter herumzickt
- technisch äußerst limitiert
- Charaktere alle gleich
- keine Abwechslung
- belang- und lustloser Mehrspielermodus
WERTUNG
Einzelspieler: 4,5
Mehrspieler: 4,0

Screenshot 1

Screenshot 2

Preis:
500 Nintendo Punkte
news@mag64.de
(09.05.2010)