Von einem Nintendo-Spiel erwartet man in der Regel sehr viel. Während man bei
vielen anderen Entwicklern zunächst meist argwöhnisch auf neue Spielkonzepte
schaut, lehnt man sich bei Nintendo-Entwicklungen gern mal gemütlich zurück und
denkt: Die werden es schon schaukeln. Besonders ist das der Fall, wenn ein Spiel
auch noch im großen Ambiente der E3 enthüllt wird. So geschehen auch bei der
„Klettersimulation“ Rock n‘ Roll Climbers für WiiWare. Das Konzept ist
ungewöhnlich bis schräg, der Entwickler heißt Nintendo selbst, Balance Board
wird unterstützt, Enthüllung auf der letztjährigen E3 und der Name suggeriert
für Fans angenehme Erinnerung an die Ice Climbers aus grauer NES-Vorzeit. Beste
Voraussetzungen für ein tolles Spiel? Denkste!
Wie so oft, ist das eigentliche Spielziel sehr einfach. Ihr startet am unteren
Ende einer Kletterwand und solltet den höchsten Punkt darauf erreichen. Diese
steilen Wände sind mit künstlichen Haltepunkten versehen, die sogar relativ
abwechslungsreich den Weg ins Spiel gefunden haben. Die sogenannten Griffe
tauchen neben der üblichen festen, gummierten Variante auch in glatt und
rutschig auf (dann kann man sich nur eine bestimmte Zeit daran festhalten),
einige brechen nach einer Weile einfach ab und sind dann vollständig
verschwunden, wieder andere bestehen nur aus einem Schlitz, der lediglich den
Händen Halt gibt. Durch dieses Spielelement haben es die Entwickler recht
geschickt verstanden, unterschiedlich schwierige Parcours zu generieren, von
denen viele einen ganz bestimmten Lösungsweg erfordern. Das Design der Kurse ist
damit ein ganz klarer Pluspunkt.
Allerdings erschöpfen sich damit auch schon die positiven Eigenschaften dieses
Titels. Denn den auf den ersten Blick spannenden Kletterwänden steht eine der
grauenvollsten Steuerungen der Videospielgeschichte entgegen. Schon bei der
Bekanntmachung von Rock n‘ Roll Climbers wurde das Spiel als speziell für das
Balance Board designt angepriesen. Doch lauert hier schon der erste Logikfehler:
Höhere Immersion durch das Board schön und gut, aber Klettern bezieht sich nun
mal meist auf die Senkrechte. Das Balance Board erkennt aber leidglich
Gewichtsverlagerungen und keine Steigmanöver. Darf man also allen Ernstes etwas
anderes als eine arg gestelzte Steuerung erwarten? Indem ihr euch nach links und
rechts lehnt, versucht euer wahlweise männlicher (größer/ schwerer) oder
weiblichen (kleiner/ leichter) Charakter sich ebenfalls nach links oder rechts
zu bewegen. Um den nächst höheren Griff zu erreichen, müsst ihr euch zudem nach
vorn lehnen. Da es ja immer nach oben gehen sollte, läuft das auf beständiges
vornübergebeugt Stehen hinaus. Möchtet ihr also mit eurem rechten Fuß einen
Griff etwas höher als den bisherigen besteigen, müsst ihr euch einfach nur nach
vorn lehnen, nach rechts lehnen, den rechten Fuß heben (Gleichgewicht halten!!),
warten bis die zickige Zielautomatisierung im Spiel den gewünschten Griff anhand
eurer Akrobatik ins Visier genommen hat und schließlich den Fuß wieder
abstellen. Allein die Tatsache, dass man sich nach vorn lehnen muss, um nach
oben zu klettern, ist paradox und fühlt sich alles andere als „echt“ an.
Wahrlich in den Wahnsinn treibt einen dann aber wirklich die Zielautomatik.
Diese markiert bei gehobenem Fuß (oder auch Hand) immer den Griff, den man mit
seinen Bewegungen angeblich anpeilt. Das stellt sich aber meistens als so
wahllos heraus, dass es in nervösen Zuckungen beim Spieler endet. Die Hände
eures Alter Egos werden übrigens durch Wiimote und Nunchuk repräsentiert. Was
mit beidseitigem WiiMotionPlus vielleicht ganz lohnenswert gewesen wäre,
funktioniert mit der üblichen Technik nur bescheiden. Haltet beide
Bedienelemente senkrecht vor euch und neigt die Geräte in die entsprechende
Richtung, um die Hände nach links oder rechts zu bewegen im Spiel. Dann noch
etwas nach vorn kippen, um auch nach oben zu klettern. Per Druck bzw. Loslassen
des A- und C-Knopfes greift ihr dann zu oder lasst die Griffe im Spiel los. Auch
hier kämpft das Spiel gegen die Unnatürlichkeit. Gerade mit den Händen will ich
natürlich wirklich nach links oben greifen, wenn mein Charakter das auch im
Spiel tun soll. Das Programm zwingt mich aber dazu, den Nunchuk lediglich nach
links und vorne zu neigen. Das mag aufgrund der technischen Limitierung
verständlich sein, macht die Spielerfahrung aber nicht besser.
Ohne Balance Board müssen naturgemäß auch die Beine mit Wiimote & Nunchuk
bedient werden. Das funktioniert dann genauso wie bei den Händen, nur mit dem Z-
und B- Button. Lebhaft sollte sich vor dem Auge des geneigten Lesers nun die
Verwirrung des Spielers entfalten, der versucht vier Extremitäten mit zwei
äußerst ungenauen Sensoren präzise zu lenken.
Zu allem Überfluss gesellt sich dann eine mäßige technische Begleitung hinzu.
Dass die Umgebung keinen Grafikpreis gewinnen kann, wenn man doch zu 99%
lediglich die Kletterwand sieht, dürfte jedem noch einleuchten, aber dann hätte
man zumindest ein wenig Herzblut in die Charaktere stecken bzw. dem Spieler
Individualisierungsmöglichkeiten geben können. So dürft ihr aber lediglich mit
zwei – wohlwollend gesprochen – rudimentären Charakteren antreten, die sowohl
Persönlichkeit wie auch markantes Design vermissen lassen. Obwohl…beide besitzen
eine ganz außergewöhnliche Gabe. Sie führen Verrenkungen aus, die dem echten
Menschen jeden Knochen im Leibe brechen würden. Die böse Zielautomatik sorgt ja
so manches Mal dafür, dass ihr einen Griff erwischt, der so nicht geplant war
und den Charakter auf dem Schirm zu abstrusen Verrenkungen verleitet. Ein
billiges Knochenknacken (vertont sicherlich mit Hilfe einer Coladose) deutet in
diesem Fall an, dass euer Charakter diese Position nicht lange wird durchhalten
können. Und doch hält er sie für eine Weile, obwohl das linke Bein auf der
rechten Seite, das rechte Bein auf der linken Seite ist, der linke Arme irgendwo
unter der Hüpfe hängt und der rechte Arm einen Meter über dem Kopf. Das sieht
nicht nur albern aus, das ist albern und für einen solchen Titel, der eigentlich
ernsthaft den Klettersport simulieren möchte, eine Schmach. Den schwachen Ton
deutete ich bereits an. Warum der Titel beispielsweise „Rock n‘ Roll“
beinhaltet, bleibt ein Rätsel. Hinweise liefern nur die Schwierigkeitsgrade der
Karriere, die mit „Pop/ Rock“, „Rock“ usw. Begriffe aus der Musikszene bemühen.
Ansonsten ertönt bei Auswahl eines Menüpunktes ein kurzer Gitarrenriff und das
war’s dann mit der Musik. Wobei „keine Musik“ immer noch besser ist als die
hanebüchenen Soundeffekte. Jenes Geräusch, welches Links Schwert in The Legend
of Zelda erzeugt, wenn er es aus der Scheide zieht, steht hier für das
Abrutschen von den Griffen. Zumindest klingt das sehr ähnlich… das passt dann
wie die Faust auf’s Auge.
Fazit:
Nintendo bekleckert sich auf seinen virtuellen Marktplätzen wirklich nicht
gerade mit Ruhm. Abseits der Art Style- Reihe begegnen dem Spieler doch allzu
häufig entweder recycelte oder nicht ganz so durchdachte Produkte. Gegenüber
Rock n‘ Roll Climbers waren die letzten Veröffentlichungen wie 530 Eco Shooter
oder ExciteBike: World Rally aber noch echte Offenbarungen. Normalerweise ist
der japanische Traditionshersteller dafür bekannt, letztlich nicht
funktionierende Gameplay-Mechaniken rigoros auch in fortgeschrittenem Stadium zu
canceln. Ich weiß nicht, ob dieser Schritt hier nicht angebracht gewesen wäre.
Angesichts des äußerst unrunden Gefühls bei der Steuerung hilft es nichts, dass
Umfang und Design der Kurse durchaus zu gefallen wissen. Alles in allem dürfen
hier nur sehr experimentierfreudige Geschicklichkeitsfans zugreifen, die nicht
davor zurückscheuen, mehrere Stunden in die Bewältigung einer auch dann noch
zickigen Steuerung zu investieren. Echte Kletterfans besteigen besser weiterhin
echte Kletterwände oder Berge.
(Hendrik)
Pluspunkte:
+ unterschiedliche Griffarten
+ gut designte Kurse
+ mehrere Ambientes (Halle, Natur etc.)
+ mit Balance Board etwas besser
Minuspunkte:
- unnatürliche Steuerung
- unpräzise Zielmarkierung
- hoher Fuchtel- & Frustfaktor
- alberne Animationen/ Verrenkungen
- billige Soundeffekte/ krude „Musik“
WERTUNG
Einzelspieler: 2,5

Screenshot 1

Screenshot 2

Preis:
800 Nintendo Punkte
news@mag64.de
(27.3.2010)