Das Abenteuer der Frontier-Studios namens Lost Winds war der meistbegehrte
Starttitel des WiiWare-Angebots neben Dr. Mario. In vielen Foren wurde es
bereits vor dem Release als kleine Revolution des Sidescroller-Genres gefeiert.
Wurde dem jungen Helden Toku wirklich ein Meisterwerk auf den Leib
geschneidert?
Dieser freundliche Genosse muss zu Beginn des Spiels von euch mithilfe des
Windes geweckt werden. Fahrt mit dem Pointer der Fernbedienung über den
Bildschirm und jedem ist klar: Hier geht es um Wind. Toku erwacht und wie es so
kommt, bricht die nächstbeste Brücke unter seinen Füßen zusammen und er fällt in
eine Höhle, wo er einen sprechenden Steinsplitter findet. Dieser entpuppt sich
als Windgeist Enril, der unserem Helden seine traurige Geschichte erzählt. Einst
hatte er mit anderen Schutzgöttern zusammen die Welt Mistralis erschaffen, bis
einer von ihnen, der treulose Balasar, nach der Herrschaft trachtete. Man
beschloss, ihn in einen Geisterstein zu verbannen, was Enril aber nur unter
größten Mühen gelang. Zu allem Unglück wurde sie selbst mit hinein gezogen.
Viele Jahrhunderte später zerbarst der Stein aufgrund der schieren Wut des bösen
Balasar. Er war frei, während Enril weiter in einem Splitter gefangen saß. Bis
zu genau dem Zeitpunkt, als Toku sie in der Höhle findet.
Euer Ziel ist nun klar umrissen: Erforscht die Welt und gebietet Balasar
Einhalt. Ihr untersucht die kleine Welt von Mistralis aus einer schicken
2D-Perspektive. Obwohl alle Objekte auf außerordentlich schöne Art und Weise
(zumal bei einem WiiWare-Spiel) in 3D dargestellt werden, könnt ihr stets nur
klassisch nach links und rechts laufen. Vorgegebene Levels wie in Super Mario
findet ihr aber nicht. Es gibt eine große zusammenhängende Welt, die nach und
nach auf der Suche nach alten Schreinen erobert werden will. Das Spielprinzip
erinnert insofern etwas an die Zelda-Reihe, denn auch hier könnt ihr zunächst
nur einen kleinen Ausschnitt der Welt begehen, nur um mit der Zeit immer mehr
Fähigkeiten und Gegenstände nutzen zu können.
Das besondere dabei ist die Steuerung, die schon im Vorfeld für das ungewöhnlich
große Interesse am Spiel gesorgt hatte. Ihr steuert mit Wiimote und Nunchuk
sowohl Toku als auch Enril. Mit dem Stick könnt ihr den Jungen ganz bequem nach
rechts und links laufen lassen, aber für das Springen, essentieller Bestandteil
eines 2D-Spiels, sorgt Enril. Drückt den A-Knopf, zieht einen Strich durch Toku
und er wird vom Wind ein Stück weit fortgepustet. Ihr könnt bestimmen, ob
senkrecht nach oben, schräg die Stiege hinauf oder fast waagerecht als
Hechtsprung über eine kaputte Brücke. Obwohl sich das zunächst kompliziert und
unnötig anhört, funktioniert es tadellos, was auch der tollen Lernkurve
geschuldet ist. Stück für Stück werdet ihr herangeführt an neue Aktionen und
lernt langsam aber sicher, alle Feinheiten zu schätzen. Die sich aufbauenden
Fähigkeiten beziehen sich vor allem auf die Möglichkeiten des Windes. Erst ist
nur ein Sprung möglich, dann zwei, dann drei, schließlich dürft ihr an
bestimmten Stellen Blüten zum Schweben nutzen, dann überall ein Cape. So
arbeitet ihr euch stetig voran, setzt neue Fähigkeiten ein und redet mit der
handvoll Dorbewohner, die euch weitere Wege zeigen. Leider wird der Spielablauf
an dieser Stelle etwas monoton. Vielleicht mag das auch der grundsätzlichen
Zweidimensionalität geschuldet sein, aber bis auf die Weiterentwicklung der
Fähigkeiten werden dem Spieler kaum weitere, anspruchsvolle Spielinhalte
geboten. Die oft hoch gelobten Rätsel werden auch Nicht-Gehirnakrobaten ohne
Weiteres lösen können (knorriges Holztor; brennende Fackel; Wind: auf!) und die
restliche Spielmechanik ist eben recht beschränkt. Todesgefahr droht dem Spieler
dabei sowieso kaum. Es gibt zwar die sogenannten Glorbs, angeblich bösartige,
schwarze Schergen des Balasar, die aber mehr aussehen wie knuffige Goo-Bälle.
Auch sie können dem Spieler nicht wirklich gefährlich werden. Sie springen einen
erst an, bleiben kleben und nach gefühlten zehn Sekunden ziehen sie einem das
erste Viertel des Herzens ab. Zu allem Überfluss kann man kleine Leuchttiere
sammeln, die es einem erlauben, bis zu dreimal das Herz wieder aufzufüllen.
Keine Gefahr und Schwierigkeit von dieser Seite.
So bleibt als wirkliche Herausforderung eigentlich nur noch die Welt selbst
übrig. Diese bietet nämlich keine Karte, was eine gelungene Orientierung bei
Zeiten schwer macht. Man läuft ja mitunter munter von links nach rechts oben und
von rechts oben nach links unten. Die Welt ist zwar nicht sonderlich groß, aber
es reicht oftmals, um den wirklichen Überblick zumindest kurzzeitig zu
verlieren. Da hilft es dann auch nur noch bedingt, dass man mit Steuerkreuz-Oben
herauszoomen kann, um einen besseren Überblick zu bekommen. Was das Hereinzoomen
mit Steuerkreuz-Unten bringen soll, bleibt dem Spieler im Übrigen verschlossen.
Habt ihr euch mit der hübschen Spielwelt erst einmal arrangiert, werdet ihr die
Wege aber auch ohne Karte finden, zumal man sich das aktuelle Ziel jederzeit per
Minus-Taste anzeigen lassen kann. Die aufkeimende Monotonie bekämpft das Spiel
aber mit einem ganz anderen Stilmittel sehr erfolgreich: Es ist nach unter 3
Stunden einfach vorbei. Bevor ihr euch also darüber ärgern könnt, dass ihr
ständig das gleiche tut, ist das Finale schon erreicht. Dieses wartet dann aber
gleich mit einem Endgegner auf, der endlich mal wieder ein neues Spielelement
darstellt. Wieso nicht früher so? Hier wird das Spiel zu guter Letzt einmal
fordernd und geht etwas über die Standardbewegungen hinaus. Leider endet das
Spiel danach abrupt und möchte auch nicht wirklich wieder angestellt werden. 24
zu sammelnde Statuen - oft an besonders fiesen Stellen versteckt - könnten für
längerfristige Motivation sorgen, wenn es denn einen Grund gäbe, sie zu sammeln.
Diesen gibt es aber nicht. Weder werden die Statuen erklärt, noch gibt es nach
Erfüllung der Aufgabe irgendeinen Bonus.
Technisch zeigt sich das Spiel von seiner besten Seite. Die Grafik ist wie
erwähnt wundervoll gezeichnet und animiert. Die Detailfülle begeistert hier
wirklich. Jeder Strauch und Baum wiegt sich sanft im Wind, wenn ihr mit dem
Cursor darüber fahrt; die Menschen stoßen verzückte Laute aus, wenn der Wind sie
streift. Überhaupt ist die Musik sehr gelungen. Sie ist durchsetzt von
japanischen Instrumenten, die eine herrlich beruhigende Sinfonie asiatischer
Klänge erzeugen. Sie ist weitgehend ohne Höhepunkte, wird aber niemals
langweilig und passt hervorragend zum gemächlichen Tempo des Spiels. Positiv
erwähnt werden sollte an dieser Stelle auch mal, dass es Ladezeiten im Spiel
komplett fehlen. Zwar durchschreitet man ab und zu mal ein Tor, aber ruckzuck
ist das Bild wieder da und es geht weiter. So soll es sein.
Fazit:
Lost Winds ist letztlich nur ein winziges Revolutiönchen, indem es nämlich die
Pointer-Steuerung der Wiimote geschickt als Grundlage einer 2D-Steuerung
heranzieht, auch wenn es nur die Sprünge betrifft. Diese Idee geht voll auf und
versprüht neben dem ganz eigenen Charme einen (Wind)hauch von Innovation. Aber
nicht nur das gefällt. Diese Mischung aus Action-Adventure, Jump n’ Run und
2D-Spiel ist in dieser Form wirklich neu und toll zu spielen. Frontier zeigt,
wie es funktionieren kann. Schade nur, dass man letztlich zu oft in die
gewohnten Bahnen zurückfällt und das hehre Ziel der Innovation beim eigentlichen
Spiel- und Rätseldesign völlig über Bord geworfen hat. Der Fähigkeitenausbau
funktioniert toll, aber mangelnder Anspruch und fehlende Spannung betrüben,
ebenso wie die arg kurze Spieldauer von unter 3 Stunden. Hier hat dem
Launchspiel vielleicht einfach die Zeit gefehlt. Für den Nachfolger lassen sich
die Entwickler hoffentlich etwas mehr Zeit. Die Ansätze von Lost Winds sind auf
jeden Fall vielversprechend. Abzüge gibt es nur in der B-Note.
(Hendrik)
Pluspunkte:
+ detailverliebte Grafik
+ Mischung aus Act.-Adv. und Jump n’ Run
+ Fähigkeitenausbau
+ innovative Steuerung
+ schöne Geschichte
+ herrlich beruhigende Musik
+ „Zweiter Wind“ für weiteren Spieler
Minuspunkte:
- nur gut zweieinhalb Stunden lang
- wenig Anspruch durch plumpe Rätsel
- fehlende Übersichtskarte
- geringer Schwierigkeitsgrad
- wenig Abwechslung
WERTUNG
Einzelspieler: 7,5

Screenshot 1

Screenshot 2

Preis:
1000 Nintendo Punkte
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(31.08.2009)