Oh weh, das böse Wort steckt bereits im Titel: “Family”. Andererseits verbirgt
sich hinter dem netten Anglizismus „Slot Car Racing“ nichts anderes als der
Traum eines jeden Kind gebliebenen Mannes, nämlich die gute alte Carrera-Bahn.
Während die meisten Frauen jetzt wohl verständnislos mit dem Kopf schütteln,
dürfte dem einen oder anderen Vertreter des männlichen Geschlechts eine Träne
der Rührung langsam über die Wange perlen. Was waren das für Zeiten, als man
noch wie gebannt vor der kurvigen Strecke saß, nur ihr und der Gegner, beide mit
einem Drücker ausgestattet, der dem Nunchuk der Wii gar nicht so unähnlich war.
Bei „Los“ ging’s los und geschmeidig habt ihr den kleinen Flitzer auf seinen
Schienen über den Parcours gehetzt. Nicht zu viel Gas, sonst verloren die Wagen
die Bodenhaftung und knallten aus der Kurve, aber auch nicht zu wenig, denn
diesen Fehler bestrafte der Gegner meist gnadenlos. Ja, was waren das noch für
Zeiten… als man noch nicht 24/7 vor dem Fernseher hockte.
Insofern führt Arc System Works das Prinzip eigentlich ad absurdum, indem sie
nämlich diesen tollen Zeitvertreib auf die Mattscheibe bannen. Eine
Daseinsberechtigung hat das Spiel aber dennoch, schließlich kostet eine gute
Variante in der Realität schon mal äußerst echte dreistellige Summen. Da kommt
man mit den schlappen 5 Euro, den dieser Titel zu Buche schlägt, deutlich besser
mit weg.
Wie in „Family Table Tennis“ ist auch hier alles sehr familienfreundlich
aufgemacht. Euch erwarten dann auch gleich dieselben vier spielbaren Charaktere
(Mama, Papa, Tochter und Sohn) und dieselbe spielerische Beschränktheit wie beim
Sportspendant. Getreu dem Motto „So einfach wie möglich“ gibt es dann auch nur
drei rudimentäre Spielmodi: Einzelspieler, 2-Spieler und ein Challenge-Modus.
Spielt ihr alleine, widmet ihr euch natürlich zunächst einmal dem
Einzelspieler-Modus. Nachdem ihr euch für einen Charakter entschieden habt, was
außer einem anderen Bildchen am unteren Spielfeldrand keine Bedeutung hat, wählt
ihr euer Slot Car aus und steigt direkt auf die Piste. Die einzelnen Modelle
sind in mehreren (in der Regel potthässlichen) Farbvarianten vorhanden und
unterscheiden sich hinsichtlich Beschleunigung, Geschwindigkeit und
Bodenhaftung. Eure Aufgabe in diesem Modus ist es, in jeweils drei Rennen gegen
euren Gegner zu gewinnen und zum Abschluss ein kleines Minispiel zu gewinnen.
Dann steigt ihr in den nächsten Schwierigkeitsgrad auf und so weiter. Leider
besitzt das Spiel nur drei Schwierigkeitsgrade und rechnet man alle
Bonusstrecken mit ein, kommt man auf schmale 11 Strecken, die aber immerhin noch
einmal rückwärts befahren werden dürfen. Bedenkt man, dass die Rennen in der
Regel nach ca. einer Minute vorbei sind, kann man sich ausrechnen, wie viel Zeit
ihr in dieses Spiel-Intermezzo investieren könnt, dürft oder müsst.
Aber wichtig ist ja auf’m Platz, wie eine bekannte Volksweisheit besagt. Da
schlägt sich das Spiel mit einem gehörigen Sympathiebonus für Kenner der
Originale sogar ganz passabel. Ok, das Gameplay ist repetitiv und stumpfsinnig
(andauerndes Drücken und Loslassen nur eines einzigen Knopfes), aber das ist es
eben, was die Faszination dieser Rennbahnen ausmacht. Allerdings wirklich nur im
Mehrspielermodus. Die Rennen gegen die häufig viel zu einfache CPU sind lahm und
mehr ein Pflichtprogramm, um bessere Autos abzustauben. Erst beim Duell Mensch
gegen Mensch leben dann wieder die Emotionen auf, die man aus seiner Kindheit
kennt oder die sonst nur bei Mario Kart auftauchen. Doch selbst hier trüben
viele Faktoren die Freude am Wettkampf. Zum einen fehlen der Wiimote respektive
dem Nunchuk einfach analoge Buttons, um ganz gezielt beschleunigen zu können.
Zwar haben die Entwickler mehrere Möglichkeiten zur Wahl gestellt und darunter
auch den analogen Stick, doch kann man diesen lediglich als simplen Buttonersatz
nutzen. Zudem will sich partout kein echtes Gefühl für die kleinen Flitzer
entwickeln. Oftmals reicht es trotz Höchstgeschwindigkeit und extrem enger
Kurve, ganz kurz vom Gas zu gehen und man erledigt die Runde perfekt. Während
also einerseits die Toleranzgrenze bis zum Herausfallen viel zu groß ist, ist
sie an anderer Stelle viel zu gering, wenn man plötzlich eine 90° Kurve nicht
mehr mit Vollgas durchfahren kann. So lernt ihr zwar schnell die Strecken
auswendig, mit physikalisch korrektem Verhalten hat das aber oft wenig zu tun.
Nett gemeint, aber doch falsch angewendet, ist das Turbo-Feature. Eure
Turbo-Leiste füllt sich nämlich nur, wenn ihr hinten liegt. Nutzt ihr den
Extra-Schub, fahrt ihr schneller und könnt zugleich nicht heraus purzeln.
Dadurch, dass sich die Leiste nur füllt, wenn ihr zweiter seid, kommt diese
Einrichtung aber mehr einer Handicap-Einstellung gleich als einem echten Turbo.
Taktischer macht es die Gefechte nicht, sondern sorgt lediglich für einen
gewollten Gummiband-Effekt.
Leider gibt es auch darüber hinaus viele Patzer, die das Gesamtbild dieses
Titels weiter verschandeln. Die Entwickler verschenken Potential beim
Challenge-Modus, indem sie diesen zu einem reinen TimeTrial machen und keinerlei
spezielle „Aufgaben“ stellen, wie der Name vermuten ließe. Außerdem ist die Jagd
nach der Bestzeit nur wenig motivierend, weil lediglich Zeit und Auto, nicht
aber euer Name abgespeichert werden. Hinzu kommt eine grauenvolle Dudelmusik,
die sich nicht einmal im Hintergrund hält, sondern mit voller Wucht euer
Trommelfell zu quälen versucht. Den Augen ergeht es dabei etwas besser, kann
doch die gelungene Comicgrafik zumindest in den Standbildern gefallen. Die Kurse
verteilen sich auf vier unterschiedliche Umgebungen, die gefällig aussehen.
Nicht akzeptabel ist aber der starke Aliasing-Effekt, der bei weit entfernt
stehender Kamera die Strecke schon mal undeutlich werden lässt. Apropos Kamera:
Während die fixe Position einen ganz guten (aber eben manchmal zu weit
entfernten) Überblick liefert, treibt euch die dynamische Kamera von senkrecht
oben nach wenigen Sekunden in den Wahnsinn. Finger weg davon! Ach ja, liebe
Entwickler aus dem fernen Japan, setzt nächstes Mal bitte andere Übersetzer ein!
Während „Dynamique“ oder „Win/ Loose“ gar nicht erst übersetzt wurde, wird der
Vater auch schon mal als „Papá“ bezeichnet und eine absolvierte (=erfolgreich
abgeschlossene) Strecke ist im deutschen Sprachgebrauch nicht „freigespielt“.
Fazit:
Viel bleibt über Family Slot Car Racing nicht zu sagen. Das Spielprinzip ist für
eine längere Auseinandersetzung mit dem Stoff viel zu stumpfsinnig und die
Umsetzung mit zu großen Macken behaftet, als dass man sich gerne ein drittes und
viertes Mal ins Rennen wirft. Den Titel rettet im Mehrspielermodus der
Nostalgieeffekt, der sich sofort einstellt, wenn man den Nunchuk nur mal
probehalber in die rechte Hand nimmt und sich dann ein packendes Duell mit dem
Freund von damals entwickelt. So kann man sich 10 Minuten in Sentimentalitäten
verlieren oder als ganz junger Spieler seine erste Videospielerfahrungen machen.
Davon abgesehen leistet sich das Spiel fünf bis zehn Nachlässigkeiten zu viel,
als dass man es auch nur irgendjemandem empfehlen könnte.
(Hendrik)
Pluspunkte:
+ endlich wieder Carrera-Bahn fahren!!
+ Zwei-Spieler-Modus
+ ansehnliche Comic-Grafik
+ Retrotipp: Nunchuk in der rechten Hand
Minuspunkte:
- keine analoge Kontrolle
- stumpfsinniges & simpelstes Gameplay
- kein Gefühl für die Wagen
- sehr kurze Spielzeit
- nervtötende Musik
- starkes Aliasing
- dynamische Kamera unbrauchbar
- einige Übersetzungspannen
- unausgegorenes Turbo-System
WERTUNG
Einzelspieler: 1,5
Mehrspieler: 3,5

Screenshot 1

Screenshot 2

Preis:
500 Nintendo Punkte
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(17.02.2010)