Das Subgenre der Gehirnjogging-Spiele erfreut sich nach wie vor großer
Beliebtheit. Was einst mit Dr. Kawashima angefangen hat, tobt sich nun auf allen
Medien hinlänglich aus. Nicht nur Videospiele sind betroffen vom Jogging-Fieber,
sondern auch das Fernsehen, Handys und Bücher. Alle wollen fit sein im Kopf. Mit
„Gehirntraining“ schickt Gameloft nun einen zumindest vom Namen her schlichten
Titel ins WiiWare-Rennen, der den geneigten Kopfjongleuren einheizen soll. Wie
es sich für ein Gehirnjogging-Spiel gehört, präsentiert sich dem Spieler ein
aufgeräumtes, aber nicht unhübsches Menü, in dem erst einmal ein Profil angelegt
werden will. Nachdem man sich an das dezente, immer wiederkehrende Ruckeln
gewöhnt hat - welches vor allem im Menü (!) zu schaffen macht - , wählt ihr
zwischen Einzel- und Mehrspielermodus, auf den aber erst später eingegangen
werden soll. Für den Solisten hält das Spiel zwei grundlegende Modi bereit: den
Gehirntest und den Stresstest. Den Gehirntest solltet ihr nach Möglichkeit wie
beim Vorbild Dr. Kawashima einmal am Tag absolvieren, obwohl auch mehrfaches
Spielen funktioniert. Hier warten insgesamt 5 kleine Aufgaben aus den Bereichen
Logik, Mathe, Merken, Visuell und Fokus auf euch. Das Spiel hält jeweils wieder
5 Aufgaben in den Kategorien für euch bereit, die ihr nach und nach freispielen
könnt, und kommt somit also auf stolze 25 verschiedene Aufgaben. Um weitere
Minispiele freizuschalten, müsst ihr in den Tagestests eure prozentuale
Ausschöpfung des Gehirn stetig steigern. Wie der wahlweise männliche oder
weibliche Professor euch zu Beginn erklärt, nutzt jeder Mensch nur ca. 10%
seines Gehirns. Das ist euer Startwert. Löst ihr die Tests zufriedenstellend,
steigt dieser Wert an und ihr schaltet immer mehr Aufgaben frei. Das sorgt für
eine gute Portion Motivation und Abwechslung. Die Aussagekraft einer solchen
Skala ist aber beschränkt und weniger sinnvoll als das „Gehirnalter“, welches
Dr. Kawashima nutzt. Das liegt vor allem daran, dass die Skala stetig steigt,
sofern ihr nur spielt. Auch wenn ihr noch so schlecht seid, sinkt das
ausgeschöpfte Potential niemals.
Die Aufgaben an sich sind kurz, aber auch kurzweilig. Hier werden wirklich viele
Bereiche des Denkens behandelt. Innerhalb der Kategorie Logik gilt es zum
Beispiel, mithilfe einer simplen Schwenkwaage zu sagen, welcher Gegenstand am
schwersten ist; ungeachtet der realen Gewichtsverhältnisse. Sind also eine Feder
und ein Auto schwerer als zwei Autos auf der anderen Seite, wird wohl die Feder
das gesuchte Objekt sein. Bei „Merken“ dürften sich einige an ihre Kindheit
erinnern, in der man vielleicht „Tabaluga TV“ geschaut hat. Erinnert sich noch
jemand an den Weg über das Eis? Ein Pfad leuchtete kurz auf und man musste genau
diesen nachgehen, um über das gefährliche Eisschollenfeld zu gelangen. Auch
solche Aufgaben finden sich in Gehirntraining wieder, ebenso wie leichtere
Kopfrechenaufgaben oder das Gesichtermerken-Spiel, welches einige sicher auch
aus Nintendos Big Brain Acadamy kennen werden. Auch wenn man einige Aufgaben
schon kennt, bietet das Spiel aber auch genug Neues. Der Fokus-Kategorie
zugeordnet, wartet beispielsweise das Spiel „Bälle“ auf euch. Hier plumpsen eine
handvoll Bälle herunter und springen physikalisch unkorrekt immer wieder genauso
hoch wie vorher. Auch wenn das Perpetuum Mobile wissenschaftlich ausgeschlossen
ist, funktioniert die Aufgabe doch nur so: Ihr sollt nämlich sagen, welcher Ball
am höchsten springt. Übrigens gar nicht so einfach, wenn der Abstand erstens
sehr knapp ist und alle Bälle wild im Raum herumspringen. Überhaupt werden die
Aufgaben sehr schnell sehr schwer. Normal ist, dass man bei einigen besser ist
als bei anderen, aber der überwiegende Schwierigkeitsgrad ist schon sehr hoch
angesetzt, was natürlich auch motivieren kann.
Der angesprochene Stresstest erweitert diese Spiele im Übrigen nur etwas. Er
stellt quasi eine Hardcore-Variante davon dar, denn ihr tretet unter erschwerten
Bedingungen an. Mal müsst ihr zwei Spiele gleichzeitig lösen, mal per Wiimote
einen Panda auf einem Ball balancieren, während ihr die Antworten auswählt, mal
stören euch bunte Flackerlichter bei eurer Konzentration. Die Aufgaben bleiben
aber im Kern dieselben. Gemessen wird hier nicht eure Denkfähigkeit, sondern
eure „Stresstemperatur“. Je cooler ihr geblieben seid, desto niedriger die
Temperatur.
Für Einzelspieler und Highscore- Jäger motivierender ist der Trainingsmodus. Wie
bei Dr. Kawashima dürfen die Spiele hier einzeln angewählt werden. Nett ist,
dass jede freigespielte Aufgabe gleich in drei Schwierigkeitsgraden verfügbar
ist. Wie im Gehirntest wird hier knallhart abgerechnet: Es zählen das Verhältnis
von richtigen zu falschen Antworten sowie die durchschnittliche
Beantwortungsgeschwindigkeit, welche leider mit dem amerikanischen Notensystem
(die Note „2“ entspricht z.B. dem „B“) versehen worden ist. Letztlich gibt es
eine bestimmte Anzahl an Punkten, die im besten Fall etwas über 1000 beträgt.
Dann bekommt man insgesamt ein „A+“ als Note. Leider hat man versäumt, eine
Vergleichsmöglichkeit mit anderen Profilen einzubauen. Das Training für sich und
die Benotung sind eine gute Sache, aber wir würden uns gerne mit anderen
Spielern (zumindest an der gleichen Konsole) messen. Eine solche Liste fehlt
leider. Als Bonus hat Gameloft noch den Senioren- bzw. Kindertest mit auf die
nicht vorhandene Disk gepackt. Auch hier absolviert ihr einen normalen
Gehirntest, doch sind Schwierigkeitsgrad und Bewertung nach unten korrigiert,
sodass eben auch die entsprechende Zielgruppe mit den Aufgaben zurechtkommt.
Einen wirklichen Unterschied zwischen beiden Varianten konnten wir nicht
feststellen. Stört aber auch niemanden wirklich.
Bleibt noch der angesprochene Mehrspielermodus. Bis zu vier Spieler dürfen sich
gleichzeitig daran wagen. Drei Spielmodi haben sich die Entwickler einfallen
lassen. Zum einen hätten wir da das Zeitspiel, in dem man einfach mehr Aufgaben
lösen muss als die Gegner, zum anderen eine Art Kartenspiel, bei welchem man
seine Karten loswerden muss, indem man Aufgaben löst und zum Schluss das
sogenannte Diebstahlspiel, wo alle die gleiche Aufgabe bekommen und man sie am
schnellsten richtig lösen muss. Die drei Spiele sind wenn überhaupt eine nette
Dreingabe und reißen niemanden wirklich vom Hocker, zumal die Bedienung per
Wiimote hackelig ist, wenn der Bildschirm in vier Teile gespalten wird.
Überhaupt sind viele Elemente sogar im Einzelspielermodus zu klein dargestellt.
Da wird der Bildschirm nicht effektiv genutzt, wenn der Taschenrechner, der zum
Eintippen von Zahlen benutzt wird, nur klein am unteren Bildrand auftaucht.
Zudem werden die Aufgaben im Mehrspielermodus nicht mehr erklärt. Hat man
unbedarfte Besucher zu Gast, müsste man so erst umständlich alle Spiele vorher
erklären. Das ist unpraktisch.
Zuletzt ein Wort zum tollen, euch begleitenden Professor. Er stellt immer wieder
tolle Fragen, die wohl das Interesse der Spieler am Gehirn und der Medizin
wecken sollen. Die Mission scheitert gnadenlos. Das Highlight war folgende
Frage, die direkt vor einem Gehirntest gestellt wird: „Wandern, wenn man einen
Tritt vor das Schienbein bekommt, Neurotransmitter über das Rückenmark ins
Gehirn?“ Bevor jemand Wikipedia herauskramt: Die Antwort ist „Ja.“ Danke
Gameloft für diese Erkenntnis.
Fazit:
Gamelofts Gehirntraining ist ein guter Vertreter seiner Zunft. Vor allem der
große Umfang mit den abwechslungsreichen Aufgaben macht einiges her, zumal viele
davon richtig gut funktionieren und auch die ein oder andere frische Idee dabei
ist. Schade ist, dass das Wertungssystem der „Denkfähigkeit in Prozent“, in dem
das Spiel misst, nicht wirklich praktikabel ist und dass einige Aufgaben über zu
kleine Bedienelemente stolpern. Das dezente, aber beständige Ruckeln in den
Menüs ist darüber hinaus unverzeihlich. Wenn man mit diesen kleinen
Einschränkungen leben kann, bekommt man hier einen kurzweiligen Gehirnjogger
präsentiert, der zwar - das liegt in der Natur der Sache - kein Abendfüller ist,
aber als Happen für zwischendurch lange Zeit motiviert.
(Hendrik)
Pluspunkte:
+ 5 Kategorien mit je 5 Aufgaben
+ Gehirntest und Stresstest
+ fordernder Schwierigkeitsgrad
+ klare Menüführung
+ Wertungssystem unbrauchbar
+ Statistiken
Minuspunkte:
- dezentes Ruckeln
- einige Bedienelemente zu klein
- Mehrspielerpart eher Beigabe
- kein Profil-Vergleich
PRÄDIKAT
"Gut"

Screenshot 1

Screenshot 2

Preis:
1000 Nintendo Punkte
news@mag64.de
(31.08.2009)