Rayman hat es schon nicht leicht. Erst wird er auf der Beliebtheitsskala schnell
von seinen Compagnons, den Raving Rabbids, überholt und dann wird er auch noch
aus seiner eigenen Reihe geworfen: Den Trip zum Mond bestritten die verrückten
Hasen im Herbst letzten Jahres bekanntlich allein. Fast wäre man geneigt zu
sagen: Rayman, go home! Doch bleibt ein Streifen der Hoffnung am Horizont
erkennbar, schließlich veröffentlichte UbiSoft jüngst den Titel „Rayman“ für
DSiWare. Ob das dem gliederlosen Helden aber zu altem Ruhm verhilft, muss
zunächst bezweifelt werden.
„Alt“ ist in diesem Fall nämlich ein Stichwort und durchaus wörtlich zu
verstehen. Hinter dem schmucklosen Namen verbirgt sich nämlich nichts anderes
als Raymans erster Auftritt aus dem Jahre 1995, den er damals noch auf frühen
PCs und dem Atari Jaguar absolvierte. Ein Remake erschien 2001 auch für den
GameBoy Advance, dessen Spiele aber ja bekanntlich mit dem neuesten Spross der
DS-Familie nicht mehr kompatibel sind. Das hat man offenbar auch in Frankreich
gemerkt und möchte den Titel nun für umgerechnet acht Euro erneut an den Mann
oder die Frau bringen.
Das Spiel gibt sich dann auch wirklich sehr retro-lastig. Obwohl jegliche
Optionen direkt über Bord geworfen wurden, darf man immerhin drei Spielstände
anlegen, was bei DSiWare-Titeln der jüngsten Vergangenheit, vor allem bei jenen
direkt von Nintendo, nicht immer der Fall gewesen ist. Springt man ins Spiel,
fühlen sich Mario-Fans gleich heimisch: Rayman stolziert nach dem Vorbild des
Klempners über eine Weltkarte und besucht mehr oder weniger der Reihe nach
verschiedene 2D-Levels in thematisch sehr unterschiedlichen Welten. In den
einzelnen Gebieten ist es gemäß des Jump n‘ Run-Genres eure primäre Aufgabe, das
Ziel zu erreichen. Wer jedoch die ganze Breite des Abenteuers erleben und vor
allem auch der Rahmengeschichte Respekt zollen will, der begibt sich innerhalb
der Levels auf die Suche nach den in Käfigen eingesperrten Electoons (zugegeben:
Diese Aufgabe wird später zur unumgänglichen Pflicht). Diese kleinen Wesen
umschwebten einst den Großen Protoon und beschützten so im Gespann zusammen mit
der Fee Betilla die heile Welt von Rayman. Genau bis zu eben jenem Zeitpunkt,
als Mister Dark – der Name allein lässt euch schaudern, oder? – sich entschloss,
den Großen Protoon zu entführen. So kommt es dazu, dass diesmal ausnahmsweise
keine Prinzessin gerettet werden muss, sondern unangenehm an den
Chemie-Unterricht erinnernde Zauberwesen.
Obwohl sich Rayman natürlich als Jump n‘ Run betrachtet und stereotype Elemente
wie Münzen (hier blaue Kugeln) und kurzfristige Power-Ups vorhanden sind,
unterscheidet sich das Gameplay teils ganz erheblich von seinen Genre-Kollegen.
Im Gegensatz zu den Mario-Titeln legt dieses Spiel noch viel mehr Wert auf das
Erkunden der Umgebung und den geschickten Einsatz von Raymans Fähigkeiten. In
diesem Punkt ähnelt es viel mehr einem Action-Adventure, in dem der Held mit der
Zeit immer besser wird. So verfügt Rayman in den ersten Abschnitten wirklich nur
über die grundlegendsten Fähigkeiten eines Hüpf-Heldens: Gehen (nicht Rennen!)
und Springen. Damit ist auf Dauer natürlich kein Blumentopf zu gewinnen,
geschweige denn sechs Käfige voller Electoons zu finden. So trefft ihr im Laufe
eurer Reise immer wieder auf die gute Fee Betilla, die euch nach und nach mit
jenen Fähigkeiten ausstattet, die moderne Spieler von Rayman kennen: Bald kann
er seine Fäuste fortschleudern, sich an Kanten festhalten, rennen und weit
springen, seine Power-Frisur als Helikopter missbrauchen oder sich mit der Faust
an Ringen festhalten und schaukeln. Ihr seht, das meiste, was Rayman auf dem
Nintendo 64 oder GameCube konnte, wurde ihm schon in diesem Abenteuer in die
Wiege gelegt. Nur mit diesen teils herben Verbesserungen eures Charakters habt
ihr überhaupt eine Chance, alle versteckten Käfige zu finden. So bleibt euch
nichts anderes übrig, als oft zunächst das Level lediglich abzuschließen und
dann später mit erweiterten Fähigkeiten zurückzukehren und alles erneut zu
spielen. Wer gerne den Entdecker spielt und jeden Winkel eines Levels sehen
will, für den dürfte das genau das richtige Gameplay sein. Andere könnten aber
durch die ständige Wiederholung von alten Levels genervt werden. Das gilt
besonders deswegen, weil die Levels gespickt sind mit unfairen Fallen und
äußerst unsportlichen Gegnern. Zum einen ist man zum Teil einfach froh, wenn man
ein Level absolviert hat, zum anderen ist es frustrierend genug, dass viele
Abschnitte einfach stur auswendig gelernt werden müssen, um überhaupt eine
Chance zu haben. Allzu oft befindet man sich auf einer sich bewegenden
Plattform, die durch einen Stachelparcours schwebt, der sekundengenauer Sprünge
bedarf, zu oft tauchen Feinde einfach aus dem Nichts auf und stoßen euch in den
Tod hinunter, oft sind die Gegner auf schmalen, im schlimmsten Fall vereisten
Vorsprüngen platziert, deren Überwinden nur durch Try & Error möglich ist. Dass
das Spiel in moderner Hinsicht zu schwierig ist, hat wohl auch UbiSoft erkannt.
Doch anstatt das Leveldesign an einigen Stellen zu glätten und die gröbsten
Patzer auszumerzen, spendiert man dem Spieler lediglich zwei Energiepunkte mehr
zum Start im Vergleich zum Original und dem GBA-Abenteuer von 2001. Nichts
spricht auch in modernen Titeln gegen einen höheren Schwierigkeitsgrad und das
Wohlfühlrundumsorglos-Gameplay vieler aktueller Titel ist mit Sicherheit auch
nicht der Weisheit letzter Schluss, aber in diesem Fall merkt man dem Spiel
einfach zu stark die Wurzeln einer anderen Generation von Spielen an. In weiten
Teilen sind die Levels nicht schwierig, sondern unfair, fordern den Spieler
nicht heraus, sondern demotivieren ihn, treiben den Spieler nicht an seine
Grenze, sondern überschreiten (Frust)Grenzen. Das ist nicht in allen Bereichen
und nicht in allen Levels so, aber eben in einigen. Nur die Endgegner zeigen,
wie man es richtig anstellt: Zwar sind auch sie harte Nüsse und sie wissen durch
geschickt getarnte Schwachstellen zu überzeugen, doch währenddessen bleiben sie
fair und wer ihr Verhaltensmuster gut studiert, wird letztlich stets die
Oberhand behalten.
Eure wiederholten Streifzüge durch die Levels unterstützt dabei immerhin ein
sorgsam aufgespanntes Speichernetz. Natürlich kann einerseits auf der Weltkarte
gespeichert werden, aber auch in den teils ausufernden und mehrere
Teilabschnitte fassenden Gebieten stoßt ihr immer wieder auf einen merkwürdigen
Fotografen, dessen Schnappschüsse quasi euer Speicherbild darstellen. Hier waren
die Entwickler auf Zack und haben diese, so bereits in der Original-Version
enthaltene Szene, dazu genutzt, die DSi-Kamera einzubauen. Spielerisch zwar
völlig belanglos, ist es trotzdem ganz witzig, dass euer Speicherprofil jeweils
durch ein Foto von euch beim Spielen gekennzeichnet ist. Ansonsten gibt es nur
eine größere Abweichung vom Original: Während das Spielgeschehen auf dem oberen
Bildschirm läuft, seht ihr im unteren Bereich 1:1 eine Karte vom Level. Sie kann
mit dem Touchpen recht bequem gescrollt werden und hilft euch auf diese Weise
aus der ein oder anderen verzwackten Situation. Weil sie aber nicht
stufenverstellbar ist, eignet sie sich nicht als Übersichtskarte. Die Scrollwege
bis zum Ende sind durch den 1:1-Charakter manches Mal doch ganz schön lang. Die
Karte ist dann auch das einzige Element im Spiel, welches mit dem Touchscreen
funktioniert. Die Steuerung haben die Entwickler bewusst klassisch gehalten.
Rayman dirigiert ihr präzise mit dem Steuerkreuz durch die Levels, der A-Knopf
lässt ihn springen und den Helikopter benutzen und mit „B“ schwingt ihr die
Fäuste. Einzig das später erlernbare Sprinten ist unglücklich umgesetzt. Ihr
aktiviert es über den R-Schulterbutton, was für große Hände im Zusammenspiel mit
dem A-Knopf für verrenkte Finger sorgen kann. Hier hätte ich mir gewünscht, dass
als Alternative zumindest der X-Knopf angeboten wird. Überhaupt ist das Sprinten
die fehleranfälligste Handlung im Spiel. Während die Steuerung sonst wirklich
gut von der Hand geht und der Held sich eigentlich millimetergenau manövrieren
lässt, scheint Rayman bei einem Sprung nach einem Sprint völlig außer Rand und
Band zu sein. Sehr viele Spielelemente bedürfen dieser Fähigkeit aber nicht.
Technisch macht Rayman trotz seines Alters auf DSiWare eine tolle Figur. Musste
man bei der tragbaren GBA-Version noch einige Einbußen hinnehmen, präsentiert
sich hier nun die volle Farbenpracht der Fantasywelt. Ihr bewegt Rayman vor
einer wirklich stimmungsvollen 2D-Kulisse, die wie selten vor Lebendigkeit und
Detailreichtum strotzt. Die spärlichen Story-Sequenzen fallen dagegen ein wenig
ab und porträtieren die wenig einfallsreiche Geschichte auf recht unkreative
Weise. Erfreut euch am besten dennoch an den wunderschönen Zeichnungen innerhalb
der Levels, aber ärgert euch zugleich darüber, dass manchmal ob der Kräftigkeit
der Farben nicht ganz klar ist, ob dieser oder jener Felsen nun zur
Levelstruktur oder zum pompösen Hintergrund gehört. Die Musik passt sich dem
ganzen sinnvoll an. Mal dudelt sich fröhlich vor sich hin, mal möchte sie eine
Kulisse der Bedrohlichkeit aufbauen. Insgesamt kommt sie sehr viel rockiger
beziehungsweise beschwingter rüber als in vergleichbaren Jump n‘ Runs, die
oftmals nur mit ihrer Niedlichkeit glänzen. Lediglich Raymans ungewöhnlich tiefe
Stimme, die hier und da mal ertönt, möchte so gar nicht zum Comic-Auftritt des
Bein- und Armlosen passen.
Fazit:
Um Rayman seinen alten Glanz wieder zu verleihen, bedarf es leider wahrlich mehr
als nur eines schmal aufgepeppten Remakes von einem Spiel, das eigentlich schon
1995 erschien. Dennoch macht Rayman in seinem ersten Abenteuer auch heute noch
eine gute Figur, besonders in optischer Hinsicht übertrifft der Oldie immer noch
beinahe im Handstreich fast alle Konkurrenten. Das Gameplay ist zwar im Prinzip
erfrischend zeitlos - die Mischung aus Adventure-Elementen mit dem 2D-Jump n‘
Run-Genre ist etwas, das bis auf „Lost Wind“ in der Moderne nur wenig Nachahmer
gefunden hat -, doch ist die Umsetzung inzwischen antiquiert. Das Leveldesign
freilich ist abgefahren und in weiten Teilen auch abwechslungsreich, lässt den
Spieler aber viel zu häufig in tiefschwarze Löcher fallen, Stellen, die
gnadenlos unfair sind und dank derer das zeitintensive Suchen jedes einzelnen
Electoon-Käfigs bei beständiger Wiederholung der Levels zur Qual mutieren kann.
Zumindest für all jene, die schon allzu sehr dem Wohlfühl-Kuschel-Kurs moderner
Spiele verfallen sind. Frustresistente 90er-Jahre-Jünger haben beim langsamen
Verbessern von Raymans Fähigkeiten und dem extensiven Suchen nach allen
Geheimnissen wohl trotzdem viel Spaß. Die witzige Integrierung der Kamera und
die eingeführte Levelkarte rechtfertigen aber dennoch keinen Neukauf.
(Hendrik)
Pluspunkte:
+ wundervolle 2D Optik
+ Rayman erlernt Fähigkeiten
+ viel Erkundungsarbeit
+ witzige Spezial-Aktionen
+ etwas leichter als das Original
+ Karte…
+ präzise Steuerung
Minuspunkte:
- Leveldesign mit abartigen Tücken
- z.T. frustrierend schwer
- Sprintsteuerung gewöhnungsbedürftig
- sehr viel Back-Tracking
- nichts Neues für Besitzer des Originals
- …leider nicht stufenverstellbar
Wertung:
Einzelspieler: 6,5

Screenshot 1

Screenshot 2

Preis:
800 Nintendo Punkte
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(7.2.2010)