1998 war 1080° Snowboarding von Nintendo eine kleine Revolution des jungen
Trendsport-Genres. Das Spielgefühl des Boards im weichen Schnee war damals das
Nonplusultra. Nach WaveRace war man auch bei auch Nintendos Snowboard-Hatz
geneigt, die Definition von „guter Steuerung“ noch mal neu zu überdenken. Die
Folge waren gute Wertungen rund um den Globus und viel Lob für das realistische
Setting, das endlich auch erwachsene Spieler ansprach. Doch was ist über eine
Dekade später vom alten Glanz geblieben? Fakten bleiben Fakten: Heute wie damals
saust ihr schmale 6 Abfahrten hinab, könnt euch zusätzlich mit einer riesigen
Sprungschanze vergnügen oder in die Halfpipe steigen. Mit 5 unterschiedlichen
Charakteren geht es auf die Pisten, wobei Tricks keine so große Rolle spielen
wie bei modernen Snowboard-Titeln. Der Kern des Spiels, der Rennmodus,
konzentriert sich vollständig auf das Rennerlebnis. In drei Cups mit je vier,
fünf oder sechs Abfahrten geht es jeweils gegen nur einen Gegner im Duell Mann
gegen Mann. Der schnellste gewinnt. Es gibt weder eine Trickleiste, die euch
Boosts verleiht, noch Waffen oder sonst irgendwelche Hilfsmittel. Ihr allein mit
dem Berg und dem Konkurrenten. Die Erfahrung von damals ist heute kurioserweise
wieder erfrischend neu. Derartig gewichtete Spiele gibt es kaum mehr.
Ok, die Streckenanzahl ist ein schlechter Scherz; ok, die Abfahrten sind
größtenteils lange Schläuche, die den modernen Freiheitsgeist nicht zu
vermitteln vermögen; ok, nur ein Gegner verspricht nicht gerade Nervenkitzel und
ok, die Grafik entgeistert mit ihren grob aufgelösten Hintergrundtapeten, den
deutlichen PopUps, dem zeitweiligen Ruckeln und den matschigen Felsentexturen.
Die Haben-Seite wirkt beängstigend mager: nach wie vor tolle Animationen und ein
auch heute beachtliches Geschwindigkeitsgefühl.
Doch das alles wird davon geweht vom berauschenden Spielgefühl. Kein modernes
Snowboardspiel kommt an die Grazie, die Lebendigkeit und an das Gefühl der
Echtheit dieser Steuerung heran. Ihr spürt jeden Hügel, jede Schneeverwirrung,
könnt am Controller den Tiefschnee erfühlen, riecht den Eiskanal durch den
Fernseher und wenn euer Charakter, beinahe stürzend, in den Schnee greift, dann
fühlt ihr die Kühle auf seiner Hand. Weder der direkte Nachfolger namens
„Avalanche“ für den GameCube noch sonst irgendein Snowboardspiel konnte dieses
Gefühl bis heute derartig glaubhaft transportieren. 1080° lebte auf dem N64
davon, davon lebt es auf der Virtual Console.
Alles ist dem superben Spielgefühl untergeordnet. Der Rest macht heute leider
nicht mehr viel her. Das damals angepriesene Wettersystem ist heute als mäßig
gescriptet enttarnt, einige Clippingentscheidung des Spiels sind mehr als
fragwürdig und das Tricksystem hoffnungslos veraltet. Um den namensgebenden
1080°-Trick zu vollführen, sollt ihr zum Beispiel „R+Stick drehen, R+Stick
drehen+B, R+Stick drehen+B+Z“ drücken. In der Luft. In einem Sprung.
Hintereinander. Viel Spaß! Es gibt auch einfache Tricks, so ist es nicht, aber
es gibt einfach keinen guten Grund, diese groß auszuprobieren. Es sei denn, ihr
seid Highscore-Fans. Dann sei euch der Wettbewerbsmodus empfohlen. Das
Zick-Zack-Fahren um blaue und rote Fähnchen, gepaart mit waghalsigen Sprüngen,
macht auch heute noch Spaß. Leider hat man es versäumt, irgendwelche Dinge zum
Freischalten zu integrieren.
Der Zwei-Spieler-Modus ist aus heutiger Sicht übrigens eine Zumutung. Das
Nintendo 64 wurde oft als „Nebelwerfer“ bezeichnet und dieser Modus zeigt, was
hier Vater des Gedankens war. Die für damalige Verhältnisse grandiose Weitsicht
des Einzelspielermodus verkommt hier zu einer Nebelschlacht sondergleichen, die
partout keine spannenden Duelle aufkommen lässt. Man erkennt kaum die eigene
Hand vor Augen, kontrolliertes Spielen ist nicht möglich. Hier machen sich die
knapp ein Dutzend Jahre bemerkbar: Im Original-Test heißt es: "[Der Nebeleffekt]
stört [...] nicht, da man von der Strecke noch mehr als genug sieht." Nach
heutigen Maßstäben gilt das sicher nicht mehr. Vielmehr als stupide 1v1- Rennen
sind aber sowieso nicht möglich, insofern kein allzu großer Verlust. Die tolle
Spielbarkeit der Steuerung bleibt aber natürlich auch hier vorhanden. Dieser
Umstand befreit den Modus aus dem gröbsten.
Fazit:
1080° Snowboarding ist auch heute noch ein gutes Spiel. Die glaubwürdige,
simulationslastige Steuerung stellt bis heute eine der besten dar, die es gibt,
und katapultiert den Spielspaß von ganz allein nach oben. Da stört es dann auch
weniger, dass das Spiel - entsprechendes Können vorausgesetzt, da der „schwere“
Cup den Namen durchaus verdient hat - mal locker an einem Nachmittag
durchgespielt sein könnte. Es kommt vor, dass ihr nach einem Monat wieder von
der Lust gepackt werdet, das Snowboard rauszuholen, um den Schnee unter dem
Brett zu spüren. Für Highscore-Freunde wird sowieso genug geboten, denn dafür
ist der Wettbewerbungsmodus genau richtig. Während die Technik in Ehren gealtert
ist, bleibt der Spielspaßkern so jung und spritzig wie und eh und darauf kommt
es doch an, oder?
(Hendrik)
Pluspunkte:
+ unerreicht geniale Steuerung
+ erfrischend altmodisches Rennvergnügen
+ gute Animationen
+ Geschwindkeitsgefühl beachtlich
Minuspunkte:
- Grafikaufbau und Clippingfehler
- zeitweise Framerate-Einbrüche
- unspielbarer 2-Spieler-Modus
- nur 6 Abfahrten
- Tricksystem veraltet
WERTUNG
Einzelspieler: 7,5
Mehrspieler: 3,0

Screenshot 1

Screenshot 2

Preis:
1000 Nintendo Punkte
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(31.08.2009)