Das „Früher war alles besser“-Phänomen hat heute wie gestern Hochkonjunktur und
wird wohl auch in tausend Jahren noch gepflegt werden. Dass diese Aussage nur
zum Teil der Wahrheit entspricht, beweisen Videospiele-Remakes immer wieder aufs
Neue. Denn in der Regel wird einem durch eine lieblos adaptierte Neuauflage nur
vor Augen geführt, wie wenig anspruchsvoll man vor Jahren war. Selig sind dann
diejenigen, die es auf die kleine Anzahl an zurückgelegten Jahren schieben
können. Eben eines dieser meist verhängnisvollen Remakes haben wir mit
„Adventure Island – The Beginning“ nun vor uns liegen. Hudson's Adventure Island
erschien im Original 1986 für das NES und wartete in der Folge mit zahlreichen
Fortsetzungen auf. Damals machte das klassische 2D-Gameplay den Mario-Spielen
Konkurrenz. Ob sich ein Remake auch heute noch gegen das klassisch-angehauchte,
aber doch rundheraus neue New Super Mario Bros. Wii zur Wehr setzen kann?
Adventure Island entführt euch – wie könnte es anders sein – auf eine Insel
voller toller Abenteuer. In der Haut von Meister Higgins ist es eure Aufgabe,
seine holde Freundin zu retten. Angesichts der kalten Tage hierzulande tut es
gut, dass ihr dabei auf einer tropischen Sandbank gelandet seid. Das Hauptmenü
ist schlicht und bietet neben dem Abenteuer-Modus und einigen noch verdeckten
Feldern nicht einmal einen Optionsbildschirm. Gut, bei einem klassischen
2D-Hüpfspiel aus den 80er Jahren auch nicht unbedingt verwunderlich. Hat man
sich ins Abenteuer gestürzt, darf der geneigte Mario-Kenner gleich wissend mit
dem Kopf nicken. Ihr landet auf einer Oberwelt wie in Super Mario World und
kämpft euch dort durch insgesamt 16 Levels, die in vier Welten unterteilt sind
(Wald & Hügel, Höhle, Strand, Schloss). Die Zahl haut niemanden vom Hocker,
besonders, da es keine freispielbaren Abschnitte zu finden gibt. Bisweilen
öffnen sich auch zwei Level gleichzeitig, sodass ihr theoretisch nicht mal alle
16 Aufgaben erfüllen müsst, um das Spiel zu absolvieren. Im vierten Level einer
jeden Welt wartet dann ein leider immer ziemlich gleicher Endgegner auf euch,
der nur im ersten Moment schwierig und angsteinflößend wirkt. Weicht man einigen
Augenblicken den Angriffen aus, erkennt man schnell das wenig komplizierte
Muster und fertigt die Burschen fix ab. Abgesehen von der Levelwahl passiert auf
der Oberwelt leider nicht allzu viel, lediglich Meister Higgins Zuhause wartet
auf euch. Hier unterscheidet sich Adventure Island angenehm von anderen
Vertretern des Genres. Denn während bei Mario große oder rote Münzen, Blumen
oder Sternenpunkte für alternative Wege sorgen, kann man sich hier mit
aufgesammelten Honigmelonen neue Fähigkeiten kaufen, um in den Levels leichter
voran zu kommen. Doch dazu gleich mehr.
Das Spielkonzept sieht auf der Abenteuerinsel keine Kopfsprünge vor. Was uns
durch zahlreiche Mario-Spiele als selbstverständliches Bekämpfungsmittel gegen
Tiere aller Art weisgemacht worden ist, führt hier sogar zur Reduzierung von
Lebensenergie. Meister Higgings greift auf die ungleich rabiatere, aber (etwas)
logischere Variante zurück: Waffen. Kriegsveteranen dürfen ihr Lächeln aber
wieder abstellen, denn die Waffenkammer gibt ganz kindgerecht nur Comic-Waffen
frei, darunter Speer, Axt oder Bumerang. Den Entwicklern von Hudson Soft haben
wir es zu verdanken, dass Yoshi in diesem Spiel keine Rolle spielt und wir somit
die in den Levels gefundenen Honigmelonen anders einsetzen können. Hier dienen
sie nämlich dazu, eure Waffen aufzurüsten. So genügt bald ein einziger Treffer
für Gegner, zum anderen durchschlagen eure Waffen dann schon mal stärkere Wände,
sodass ihr lästige Gegner umgehen und weitere Honigmelonen einsammeln könnt. Die
meisten davon sind für euch zu Beginn nämlich noch gar nicht erreichbar. Während
man dies bei einem Rollenspiel noch erwartet, mutet dieser Umstand in einem Jump
n‘ Run doch etwas seltsam an. Letztlich erhöht dieses Vorgehen aber den
Wiederspielwert der einzelnen Hüpfpassagen. Zumal ihr neben den Waffen auch an
Meister Higgins Sprungfähigkeiten feilen dürft und ihm beispielsweise einen
Doppelsprung erkaufen könnt. Damit spielt es sich dann gleich viel angenehmer
und viele Fragen in der Form von „Wie soll ich denn da hin kommen?“ erübrigen
sich wie von selbst. Ebenfalls zum häufigeren Durchspielen regen die 18 „Meister
Higgins-Taten“ an. Erledigt beispielsweise ein Level ohne Waffenbenutzung oder
zerstört 10 rollende Felsbrocken, um neue Kostüme für den ansonsten recht knapp
bekleideten Hauptcharakter freizuspielen.
Doch die wichtigste Frage wurde noch nicht gestellt. Bei aller schönen Theorie:
Will ich denn die Levels überhaupt öfter spielen oder ist bereits der erste
Durchgang Käse? Tatsächlich ist es leider so, dass das Spiel an sich mit den
netten Vorgaben nicht ganz mithalten kann. Die Steuerung, die sich wahlweise der
quergehaltenen Wiimote oder des Classic Controllers bedient, ist zwar
prinzipiell in Ordnung, erreicht aber nie die Griffigkeit und die Präzision
eines Mario-Jump n‘ Runs. Higgins gleitet einfach mehr über den Boden, als dass
er wirklich läuft. Außerdem kollidiert regelmäßig der Wunsch, schnell zu laufen,
mit dem der Waffenbenutzung. Beide Aktionen liegen auf dem „2“-Button und immer
wird erst die Waffe benutzt, dann losgelaufen. Das ist bei Mario ebenso, aber
dort geschieht es ohne Zeitverzögerung. Man gewöhnt sich an alles, aber nervig
bleibt es bis zum Schluss. Letztlich stellt sich das Spiel aber selbst das
entscheidende Bein. Weder Gameplay noch Leveldesign erreichen eine gehobene
Klasse. Kennzeichen der Serie war leider immer, dass Higgins fortdauernd Energie
verliert und diese dann stetig mit Früchten wieder auffrischen muss. Sich mal
hinstellen und abwarten, führt bei Adventure Island also zwangsweise zum Tod. So
hetzt man mehr durch die Level und kann sich gar nicht die nötige Zeit nehmen,
sie zu erkunden. Früchte sind zwar üppig verteilt, doch der Schwierigkeitsgrad
ist dadurch dennoch um ein vielfaches höher als bei vergleichbaren Titeln
(obwohl das Remake im Vergleich zum Original entschärft wurde). Die ganze
Fruchtsammelei wirkt aber aufgesetzt und einfach nicht mehr zeitgemäß. Der harte
Schwierigkeitsgrad basiert aber auch auf dem größtenteils misslungenen
Leveldesign, das den Spieler ein ums andere Mal in fiese Fallen lockt. Hier
kommt dann auch der fehlende 16:9-Modus schwer zum Tragen, der dem Spieler
einfach mehr Übersicht geboten hätte. So verkalkuliert man sich oft, wird
urplötzlich von einem Gegner angegriffen oder sieht Plattformen einfach zu spät.
Und das, obwohl das Design der Level wie zufällig zusammengeschustert aussieht.
Es gibt kein einziges überraschendes Element im ganzen Spiel. Bewegliche
Plattformen, Stachelblöcke, kleine Gegner, rollende Felsen…alles hinlänglich
bekannt. Obgleich also Abwechslung ein Fremdwort ist, müssen die Levels beinahe
auswendig gelernt werden, um sie absolvieren. Ein seltsames Paradoxon.
So antik das Spiel auch anmuten mag, es macht vor dem Casual-Boom keinen Halt.
Infolgedessen spendierten die Entwickler dem Einzelspiel-Abenteuer satte vier
Minispiele als Bonus und einem Kooperationsmodus, der aber erst freigespielt
werden muss. Wow. Habt ihr einen armen Freund zur Hand, könnt ihr euch
‚aufregende‘ Duelle in so tollen Disziplinen wie Skateboard-Überleben,
Axtangriff, Obstgreifer und Schnellfeuer-Ruinen liefern. Ein jedes davon weist
etwa untere Mario Party- Qualität auf. Das Skateboard-Spiel, welches übrigens
von den Neigungssensoren der Wiimote auf zweifelhafte Weise ‚profitiert‘,
scheitert an der grauenvollen Kollisionsabfrage, der Lightgun-Shooter-Abklatsch
mit der Axt am lahmen Spieltempo, das Sammel-Game rund ums Obst an gähnender
Langeweile und Unfairness der platzierten Objekte und die
Schnellfeuer-Ruinen…tja, da muss man nur in 10 Sekunden so schnell wie möglich
den A-Knopf drücken…was soll man dazu noch sagen? Ach ja, der freispielbare
Kooperationsmodus klingt in der Theorie nett, ist aber unsinnig, da ein zweiter
Spieler während des Abenteuers lediglich von oben Bomben herab werfen kann auf
Feinde. Bis die aber explodiert sind, hat Spieler 1 längst alle Feinde
beseitigt. Partyspaß ist echt was anderes. Wobei man Hudson zugutehalten muss,
dass man Online-Ranglisten für Highscore-Jäger eingebaut hat (sowohl für den
Abenteuermodus als auch für die Minispiele).
Grafisch und musikalisch macht das Spiel leider ebenfalls da weiter, wo es
spielerisch aufgehört hat. Jede der vier Welten hat genau eine matschige
Hintergrundgrafik und genau ein langweilig-fröhlich vor sich hin dudelndes
Musikthema. Higgins Animationen, die ein wenig an Michael Jacksons Moonwalk
erinnern, wurden ja bereits angesprochen. Da will die eine Handvoll Feinde
natürlich nicht hintenan stehen und begnügt sich was Intelligenz und
Bewegungsanimationen angeht auch auf das absolute Minimum: Einfach drauflos.
Technisch machen die Inselabenteuer eher den Eindruck eines in die Jahre
gekommenen PSOne-Spiels als das eines modernen WiiWare-Titels.
Fazit:
Nein, früher war nicht alles besser. Moderne Spiele mögen ja auch nicht
sonderlich gehalt- oder sinnvoll sein, aber wenn man fiese Steine oder
angriffslustige Lagerfeuer mit nur ausreichend Speerwürfen besiegen kann, dann
bin ich doch irritiert. Doch wäre das die einzige Absonderlichkeit in Adventure
Island, ich würde es durchgehen lassen. Leider hat man bei Hudson Soft das
Gameplay trotz intelligenter Rahmenbedingungen allzu sehr vernachlässigt. Die
Idee der Charakterentwicklung in einem Jump n‘ Run ist beispielsweise
motivierend, wird aber vom rudimentären Leveldesign in Kombination mit den
fragwürdigen Gameplay-Entscheidungen zunichte gemacht. Die stetige Abnahme der
Lebensenergie auch ohne Einwirken eines Gegners ist einfach nicht mehr zeitgemäß
und macht den Spielverlauf unnötig hektisch. Da helfen dann auch die
aufgepfropften Mehrspieleroptionen nur noch wenig. Dieser lauwarme Aufguss zeigt
äußert bildlich, mit welchen Schwierigkeiten die Spieler damals zu kämpfen
hatten. Eiserne Jump n‘ Run-Fans und Nostalgiker erfreuen sich an der
Urtümlichkeit des Titels, alle anderen spielen Mario und begnügen sich damit.
(Hendrik)
Pluspunkte:
+ Waffen- und Fähigkeitsausbau
+ Meister Higgins-Taten
+ Classic Controller wird unterstützt
+ solide Steuerung…
+ Highscores online vergleichen
Minuspunkte:
- nur 16 Level
- uniforme Endgegner
- fortdauernder Energieverlust
- …mit kleineren Problemchen
- Baukasten-Leveldesign
- einige unfaire Stellen
- kein 16:9-Modus
- überflüssiger Mehrspielermodus
Wertung:
Einzelspieler: 5,5
Mehrspieler: 1,5

Screenshot 1

Screenshot 2

Preis:
1000 Nintendo Punkte
news@mag64.de
(19.12.2009)