Das Interview mit den Entwicklern von Tonic Trouble

Welches Konzept steckt hinter Tonic Trouble und worum geht es in dem Spiel ?

A. Ein lilafarbener Außerirdischer namens Ed läßt während einer wissenschaftlichen Weltraumexpedition aus Versehen eine mysteriöse Dose fallen. Der Inhalt dieser Dose löst eine Reihe von Mutationen bei Menschen, Tieren und auch Pflanzen aus. Ed muß die Dose vor Grogh dem Höllischen retten, einem miesen Rumtreiber, der die magischen Kräfte der Dose dazu nutzen will, sich selbst zum Herrscher über die Welt aufzuschwingen. Bei seiner abenteuerlichen Reise trifft Ed auf gefährliche Feinde, wie z.B. Killerkarotten, grauenvolle Mumien, weißbrotschießende Toaster und viele andere Kreaturen…doch Ed muß auch seinen Verstand einsetzen, um alle Rätsel zu lösen, die ihm auf seiner Reise begegnen! Tonic Trouble ist eine Mischung aus Action, Adventure, Humor und vielen verrückten Ideen !!!

Wer hat Tonic Trouble erschaffen? Wie groß war das Team?

A. Tonic Trouble wurde von Michel Ancel mit entwickelt. Ancel ist der führende Kopf hinter Ubi Softs Blockbuster Rayman, dem Action-Adventure, das zu den Sony PlayStation's Greatest Hits zählt. Vor zehn Jahren kam Ancel – damals 17 Jahre alt – zu Ubi Soft und begann mit der Entwicklung früher Spiele, wie z.B. Pick'n'pile und Jeu des Bêtes. Ursprünglich übernahm er beides, die Programmierung und das Game Design selbst. Als er Rayman entwickelte, leitete er ein Team von 16 Mitarbeitern. Für Tonic Trouble war die Entwicklung eines neuen 3D Integrations-Tools erforderlich, deshalb bestand das Team aus 120 Mitarbeitern.

Was inspirierte Ancel zu Tonic Trouble ?

A. Ancel hat schon bei Rayman gezeigt, daß er märchenhafte Welten und phantastische Abenteuer à la Tolkien der künstlichen Cyberwelt vieler Spiele vorzieht. Für Tonic Trouble lieferte die Storyline von LucasArts Day of the Tentacle , das Interface und das Gefühl des Durch-eine-andere-Welt-reisens von Zelda für Super Nintendo die Inspiration. Das Story-Konzept für Tonic Trouble dreht sich um zwei zentrale Themen: einerseits ist es die Idee, daß der Held selbst durch einen Fehler die folgenschweren Verwicklungen auslöst und nicht erst später als Ritter in glänzender Rüstung auf der Bildfläche erscheint, um die Welt vor einem Schurken oder einer Naturkatastrophe zu retten ; andererseits ist es der Gedanke, daß ein unglücklicher Zufall konventionelle Verhaltensmuster genau ins Gegenteil verkehren kann. Deshalb fängt das Gemüse in Tonic Trouble an, Tiere zu fressen, der gammelige Säufer kommt an die Macht usw. Wichtig ist auch die Motivation, die hinter dem überraschenden Ende der Geschichte steckt.

Welche Gameplay-Features werden wir zu sehen bekommen, die dieses Spiel von früheren 3D-Titeln unterscheidet?

A. Humor ist das wahre Markenzeichen von Tonic Trouble. Eds Universum (das er versehentlich selbst erschaffen hat) ist ein psychedelisches Süppchen. Es gibt mutierte Tiere, psychotisches Gemüse (Killerkarotten, böse Pilze, ranzige Rüben usw.), knallbunte Flüsse, Pyramiden, die von Designer-Handtaschen schwingenden Mumien bewacht werden, Wächter in Ballettröckchen, Gletscher mit Sangria-Geschmack, magische gepunktete Fliegen, verrückte Wissenschaftler mit Roboter-Koffern, Gebisse, die plötzlich zuschnappen und vieles mehr. Was das Gameplay angeht: am Anfang des Spiels kann der Charakter gehen, laufen und springen wie jeder andere Charakter auch, aber während des Spiels erhält er verschiedene besondere Fähigkeiten. So kann er sich z.B. mit seiner Fliege in die Lüfte schwingen, mit dem Pogo-Stick gefährliche Hindernisse überwinden, mit einem Blasrohr auf seine Feinde schießen, sich mit Hilfe des Chamäleon-Puders in andere Charaktere verwandeln und er erhält ein ganz spezielles Popcorn (wenn Ed Popcorn ißt, gerät er völlig aus dem Häuschen und verwandelt sich in sein Alter ego, einem Hulk-ähnlichen Super Ed !!!).... Die Entwicklung von Eds Kräften erlaubt eine große Vielfalt im Gameplay. Aber es müssen auch Rätsel gelöst werden, um in diesem Abenteuer weiterzukommen !! Die Mischung aus Humor, Action, Rätsel lösen macht das Gameplay von Tonic Touble abwechslungsreich und zu einer echten Herausforderung.

Tonic Trouble wurde bereits letztes Jahr auf der E3 vorgestellt. Welche Verbesserungen konntet ihr an der PC- und N64-Version vornehmen?

A. Letztes Jahr haben wir die Bundle-Version für PC gezeigt, die im Juni 98 herauskam. Dieses Jahr können wir die Retail-Version präsentieren, die mit der Bundle-Version nur noch wenig gemeinsam hat. Die Storyline ist dieselbe, aber das Gameplay ist völlig anders : das Game Design ist anders (alle Maps wurden neu gestaltet), das Szenario ist anders, jetzt gibt es viel mehr Charaktere im Spiel, und einige helfen dem Spieler sogar weiter und bringen dem Spieler einfach mehr Spaß. Es gibt mehr Hinweise für den Spieler und mehr Rätsel, aber auch mehr Feinde, die Ed bekämpfen muß. Ed hat dafür viel mehr Möglichkeiten : er kann seine Feinde mit dem Stock angreifen, während er geht oder läuft, er kann Plattformen damit lenken, außerdem lassen ihn die ganz bestimmte Animationen viel lebendiger und auch viel liebenswürdiger erscheinen : er zittert, wenn er an einem eisigen Ort ist, er schaut gelangweilt, wenn er darauf wartet, daß der Spieler etwas unternimmt und tippt mit den Fingern, er spüht sich Atemspray in den Mund... Außerdem wurden zwei neue Maps erstellt, um die Intensität am Ende des Spiel zu erhöhen : das hohe Tempo und die Action fordern absoluten Speed vom Spieler. Und was die N64-Version angeht: letztes Jahr haben wir Tonic Trouble gezeigt, um damit zu sagen : äHey, seht euch das mal an ! Wir werden ein neues N64-Spiel machen" und da standen wir noch am Anfang. Dieses Jahr zeigen wir es und sagen : äHey, seht mal her ! Wir haben ein neues N64-Spiel gemacht".

Wie viele Welten und Charaktere hat Tonic Trouble ?

A. Tonic Trouble enthält 11 grafische Umgebungen, jede davon ist in verschiedene Maps unterteilt. Jede Map hat ihre ganz eigene Atmosphäre, die um eine bestimmte Sache herum aufgebaut wird : dazu gehört eine ägyptische Pyramide, eine Skipiste, eine Fabrik in einem riesigen Kochtopf, ein Gletscher voller Riesenfrüchte und Sangria, ein tiefer Canyon... Für jede Map braucht man besondere Fähigkeiten, dadurch wird ein ganz neues Gameplay ermöglicht. Auf der Skipiste muß Ed auf einer Frisbee-Scheibe gleiten, in der Canyon-Map muß der Spieler gekonnt mit der Fliege durch die Luft sausen, beim Gletscher-Cocktail muß er ein guter Skater sein usw. Aber alle Maps haben eines gemeinsam: sie sind total abgedreht !!

Welche Geheimnisse und Tricks habt ihr ins Spiel eingebaut?

A. So wie im Original-Rayman wird der Spieler nicht nur mit Bonus-Punkten und dem Zugang zu geheimen Levels belohnt, sondern er äerlernt" Tricks und erhält nach und nach Kräfte, die später gebraucht werden. Eds Hauptwaffe z.B. ist ein Stock, den er eigentlich benutzt, um seinen Feinden eins auf den Deckel zu geben. Im Verlauf des Spiels verwandelt sich der Stock in verschiedene Waffen oder Dinge und ermöglicht es Ed, schwere Dinge zu heben, ihn als Blasrohr gegen angreifende Bienen oder als magischen Stock zu verwenden, um sich selbst und andere Charaktere zu verwandeln, usw... Der Spieler muß so clever sein, daß er alle Informationen und Dinge, die er erhält, ausnutzt. Die Weiterentwicklung von Eds Kräften mach das Gameplay viel umfangreicher und ermöglicht wiederum eine Entwicklung des Gameplays an sich. Man kann noch einmal in eine Map zurückkehren, die man schon erfolgreich durchgespielt hat, und sie dann vollkommen anders erleben, denn man hat ja mittlerweile andere Fähigkeiten, die man einsetzen kann.

Warum ist Tonic Trouble eher ein Adventure als ein Action-Game?

A. In einem Action-Game dreht sich fast alles um die Geschicklichkeit des Spielers, mit der er es schafft, zu überleben, zu springen, zu töten usw. Man muß den Plot nicht kennen, um zu spielen. Tonic Trouble wird vom Plot angetrieben und von der Geschicklichkeit des Spielers, an wichtige Informationen zu kommen. Die verschiedenen irrsinnigen Charaktere in der Geschichte haben z.B. die Informationen, die Ed braucht, um an die Dose mit dem Gift zu kommen und ein Charakter namens The Doc besitzt den magischen Stock, den Ed zum Überleben braucht. Ed muß mit den anderen Charakteren interagieren, um im Spiel weiterzukommen. Der Spieler braucht gute Reflexe, viel wichtiger ist es jedoch, neugierig zu sein und darüber nachzudenken, warum die Spiel-Designer bestimmte Dinge an einem bestimmten Ort plaziert haben usw.

Welche Verbesserungen wurden bei Tonic Trouble durch Ubi Soft's 3D Integration-Tool erreicht?

A. Das Spiel wurde mit dem Ubi Soft-eigenen 3D Integrations-Tool und einer modularen, skalierbaren Engine von 50 Ubi Soft-Entwicklern in einen Zeitraum von 18 Monaten entwickelt. Die Kosten hierfür betrugen 4 Mio. US $. Wir haben dieses Tool 'Architecture Commune Programmation (ACP)' genannt. Mit diesem Tool wird die kreative Kontrolle ganz in die Hände der Game-Designer gelegt anstatt in die der Programmierer. Das Ergebnis: komplexere Charaktere, grafische Umgebungen und Herausforderungen bei der Problemlösung. Die Charaktere ändern ihr Verhalten und ihre Körpersprache, die Schauplätze sind viel umfangreicher, das Gameplay gewinnt an Interaktivität.

Was wollten die Game-Designer erreichen?

A. Game-Designer Pierre Olivier Clément sagt: äSpiele wie Duke und Quake waren meine Lieblingsspiele, aber selbst bei diesen Spielen geht es eigentlich nur darum, den Feind zu töten. Als Spieler möchte ich aber auch nachdenken müssen, mir jede Bewegung genau überlegen. Ich möchte Charaktere, die intelligenter sind als Charaktere in anderen Spielen. Ich möchte knifflige Rätsel durch Ausprobieren und durch intensives Nachdenken lösen. Bei Tonic Trouble hatte das Design-Team alle Möglichkeiten, um diesen Anspruch zu verwirklichen."

Wie groß war das Team, das Ubi Soft für dieses Projekt zusammengestellt hat?

A. Wirklich ziemlich groß! Das liegt daran, daß TT unser erstes Open-Space 3D-Game war.
Hier die Zahlen:
- Entwickler : 60
- Animatoren : 30
- Level-Designer : 12
- 3D-Artists : 12
- Sound-Designer : 1
- Musiker : 1
- Soundeffekte : 2

Wie wurden die grafischen Welten erstellt?

A. Die gesamte grafische Umgebung wurde mit Hilfe von Texture-Mapping erstellt. Die Designer haben zunächst rauhe Entwürfe auf Papier angefertigt, diese dann eingescannt und Software wie z.B. Painter und PhotoShop benutzt, um die Farben zu definieren. Das Team modellierte dann mit Hilfe von zwei 200MHz PCs mit 3D Studio Max die Maps. Die Texturen wurden mit PhotoShop erstellt. Der letzte Schritt war dann die Beleuchtung in jeder Szene. Team-Mitglied Geoffroy DeCrecy sagt: äInspiriert wurden wir hauptsächlich von den Cartoons der 60er. Wir wollten das Einfache, die Energie und die Effizienz, die man in diesem grafischen Universum vorfindet."

Für welche Plattformen wird es das Spiel geben?

A. PC CD-Rom, PC DVD-Rom und Nintendo® 64

Wurde Tonic Trouble für den PC entwickelt und dann für N64 angepaßt ? Oder wurden beide Spiele getrennt voneinander entwickelt? Hat dasselbe Team an beiden Versionen gearbeitet ?

A. Im März 1998 haben wir zunächst eine erste PC-Version für den Bundle-Markt gemacht. Dann wurde ein komplett neues Spiel für N64 und für die PC Retail-Version gemacht (neue Level, mehr Charaktere).Die N64-Version wurde von einem separaten Team komplett für diese Plattform entwickelt : beibehalten haben wir natürlich den abgedrehten Grundgedanken des Spiels und dann innerhalb der Grenzen, die bei Konsolen gegeben sind, das Bestmögliche herausgeholt. Das Entscheidende bei Tonic Trouble war, reichhaltige Texturen zu erhalten. Die Game Engineers der N64-Version haben Texturen erzielt, die viel hochwertiger sind als die anderer N64-Titel, und das wird man auch z.B. an den Farben sehen. Die N64-Version von Tonic Trouble ist entwickelt worden, um abstraktere Formen zu nutzen anstelle der typischen geometrischen, flachen Polygone, die man aus anderen N64-Titeln kennt. Alle Charaktere, Hintergründe usw. wurden so manipuliert, daß die graphische Integrität erhalten werden konnte. Und obwohl es im Vergleich zum PC nur etwa halb so viele Polygone für N64 gibt, wird der Spieler beeindruckt sein! Die PC Retail-Version wird genau dasselbe Gameplay wie die N64-Version haben, die Grafiken wurden jedoch von einem speziellen Team überarbeitet, um die grafische Umgebung so umfangreich wie möglich zu gestalten: die Texturen sind größer und bunter, die Objekte sehen realistischer aus und es gibt viele detaillierte Texturen im Hintergrund...

Inwiefern profitiert die DVD-Version von Tonic Trouble vom DVD-Format?

A. Die größere Speicherkapazität des DVD-Formats ermöglicht eine längere Intro und zusätzliche Musik-Tracks. Außerdem wird die DVD-Version mit 5.1 Kanal 3D Dolby digital (AC-3) Sound kodiert. John Loose, Multimedia Production Technician für die Dolby Laboratories Licensing Division sagt dazu, äUbi Soft hat mit bahnbrechenden Produkten wie POD gezeigt, daß mit Hilfe von Dolby Surround ein intensives Eintauchen in das Spiel ermöglicht wird. Mit Tonic Trouble sind sie noch einen Schritt weiter gegangen. Die cinematischen Sequenzen in Tonic Trouble, die in 5.1 Kanal Dolby Digital Surround Sound abgemischt wurden, können sich mit dem, was heutzutage aus Hollywood kommt, messen. Der Soundtrack zu Tonic Trouble ist ein exzellentes Beispiel für die Konvergenz der Interaktivität zwischen der Videospiele-Industrie und den Werten und den Emotionen von Hollywood-Filmen."

Welche Möglichkeiten bietet Tonic Trouble im Bereich der Musik in Videospielen?

A. Normalerweise haben Spiele mehrere Musik-Tracks, die ständig wiederholt werden. Die Musik ändert sich nur in Abhängigkeit davon, an welcher Stelle im Spiel der Spieler gerade ist. Tonic Trouble bietet 10 lange Tracks und wenn sich die Musik ändert, wird dadurch die Reaktion des Charakters auf die Handlung widergespiegelt. In den Kampfszenen ist die Musik intensiv und nervenaufreibend, ist der Charakter ängstlich und alleine, ist die Musik langsam und melancholisch. Die Musik in Tonic Trouble ist das Ergebnis von einem Musiker, fünf eigenen Sound Editors und sechs Monaten Arbeit. Zusätzlich zu diesen Features wird in der PC-Version von Tonic Trouble Dolby Sound verwendet, um den Prozeß des ätotalen Eintauchens" in das Spiel zu fördern.

Für welche Altersgruppen ist Tonic Trouble?

A. Ebenso wie Rayman wurde Tonic Trouble als generationenübergreifendes Spiel entwickelt. Geeignet ist das Spiel für Spieler im Alter von 12 bis 97 Jahren. Jüngere Spieler werden auch ihren Spaß haben, doch nur erfahrenere Spieler haben genug Einblick und sind geschickt genug, um es richtig zu genießen.

Hier gelangt Ihr zu unserer Interviewseite mit allen bisherigen Interviews.

Magazin64@aol.com