Interview mit dem Projektleiter von Racing Simulation 2: Mathieu Ferland

Eine Rennsimulation für N64?! Was hat zu diesem Projekt den Anlaß gegeben ?

M. F. Simulationen werden in letzter Zeit immer beliebter. Diese Entwicklung läßt sich besonders stark bei PC-Besitzern beobachten, trifft aber auch mehr und mehr auf Konsolen-Spieler zu. Deshalb glaube ich guten Gewissens sagen zu dürfen, daß der Erfolg von F1 Racing Simulation diese Tendenz durchaus bestätigt hat. Rennspiele auf N64 waren bisher hauptsächlich Arcadespiele. Damit meine ich Spiele, bei denen die Fahrzeuge einfach zu steuern sind: Das Gaspedal ist meist voll durchgetreten, man verliert nicht sehr viel an Geschwindigkeit, wenn man von der Strecke abkommt, die Gegner entfernen sich nicht allzu weit, usw. Zielgruppe für diese Spiele sind ungeduldige, draufgängerische junge Leute, die am liebsten schon beim ersten Rennen gewinnen möchten. Arcadespiele sind spannend und leicht zu bedienen. Unser Ziel war es, einen Mittelweg zu finden. Man könnte sagen, wir haben versucht, die Simulation einer Simulation zu entwickeln. Alle realistischen Aspekte der Simulation haben wir beibehalten und zusätzlich um einige Arcade-Elemente erweitert. Der Spieler steht also immer noch vor der Herausforderung, einen echten Rennwagen einstellen und steuern zu müssen, allerdings reagiert er nicht ganz so sensibel wie in Wirklichkeit.

Wie war es überhaupt möglich, ein Simulationsspiel für N64 zu entwickeln?

M. F. Rennstrecken sind von Natur aus sehr groß. Um große Strecken nachbilden zu können, haben wir große Flächen benutzt, und gerade der N64 besitzt die Fähigkeit, solche großen Flächen zu verwalten. Eine flüssige Darstellung haben wir erhalten, indem wir alle diese Karten auf die Fähigkeiten des N64 abgestimmt haben. Zum Beispiel haben wir auf einem Bildschirm mehrere Texturen übereinandergelegt und so verhindert, daß die Texturen zu grob erscheinen (Tiling Methode).
In einem Spiel wie F1 Racing Simulation ist das Blickfeld des Fahrers sehr groß, und die Texturen der entfernten Elemente erscheinen dadurch manchmal sehr grob. Unsere Ingenieure haben deshalb das « Mip-Mapping » eingeführt, das es erlaubt, die Texturen je nach Entfernung der Kamera getrennt zu verwalten.
Was die Engine betrifft, so haben wir die für die PC-Version entwickelte benutzt, optimiert und dem für N64 völlig überarbeiteten Spieldesign angepaßt. Das Hauptaugenmerk bei der Entwicklung wurde auf den Fahrer und nicht auf das Auto gelegt. Lassen Sie mich das erklären: Es gibt zwei Arten von Einstellungen, die an einem Rennwagen vorgenommen werden können: die Einstellungen der Ingenieure und die Einstellungen des Fahrers. Die Spieler sind natürlich mehr an den Einstellungen interessiert, die den Fahrer betreffen. Konsequenterweise sind es die Fahrereinstellungen, die wir übernommen haben: Flügelwinkel, Reifentyp, Übersetzung, Einschlagwinkel der Räder, Benzinmenge, Bremsbalance, Federhärte, Bodenfreiheit... Auf diese Weise ist es uns einerseits gelungen, Arbeitsspeicher zu sparen. Andererseits behalten wir aber noch viele Einstellungsmöglichkeiten, so daß wir das Spiel mit Recht als Simulation bezeichnen können.
Hierbei handelt es sich nur um ein Beispiel, aber es war diese Art von Entscheidungen, die für die Optimierung einer so komplexen Simulation und deren Umsetzung für N64 getroffen werden mußten. Wir haben also versucht, alle Elemente beizubehalten, die für den Konsolen-Spieler von Interesse sein könnten.

Haben Sie tatsächlich ein Simulationsspiel für das N64 hergestellt ?

M. F. Für einen Konsolentitel ist die Bezeichnung "Simulation" vielleicht etwas hochgegriffen, aber es ist uns jedenfalls gelungen, wichtige Elemente der Simulation zu bewahren. Die Fans von Simulationen werden dieses Spiel sicherlich mit großem Interesse aufnehmen.  

Welche Phase der Entwicklung war die schwierigste ?

M. F. Die Phase kurz vor dem Ziel! Kennen Sie das Verhältnis 80:20? Es ist vielleicht ein bißchen übertrieben zu sagen, daß wir 80% unserer Anstrengungen in den letzten 20% der Entwicklungsphase aufgebracht hätten, aber ein Quentchen Wahrheit ist da schon dran!

Wie haben Sie die Gegensätze miteinander vereinbart: Auf der einen Seite die Eigenschaften eines Simulationsspiels und auf der anderen die Vorliebe der Konsolen-Spieler für Fun, Action und Geschwindigkeit?

M. F. Das ist eine Frage der Auswahl ! Wir glauben, einen Ausgleich gefunden zu haben zwischen den Anforderungen einer reinen Simulation und den Erwartungen der N64 Spieler, die es gewöhnt sind, leicht zu beherrschende und einfach zu steuernde Rennwagen zu fahren.
Man kann nicht voraussetzten, daß alle N64-Spieler die Kenntnisse von Ingenieuren haben, deshalb haben wir uns entschieden, ihnen bei den Einstellungen der Rennwagen ein wenig unter die Arme zu greifen. Ein Leistungsdiagramm erlaubt dem Spieler, detailliert die Auswirkungen seiner Einstellungen auf das Fahrzeug zu beobachten. Dieses Diagramm beschränkt sich auf elementare Eigenschaften: Höchstgeschwindigkeit, Bremsen, Haftung und Beschleunigung. So ist es für den Spieler einfacher zu verstehen, daß es zum Beispiel auf einer langsamen Strecke wie Monaco wichtiger ist, eine starke Beschleunigung als eine hohe Höchstgeschwindigkeit zu haben. Die Hartnäckigkeit der Konkurrenten, die realistischen Zusammenstöße und die zahlreichen Spezialeffekte sind alles Eigenschaften, die die Anhänger der N64-Konsole begeistern werden.

Warum glauben Sie - ohne Konkurrenzprodukte nennen zu wollen – daß Ihr Spiel das beste auf dem Markt ist?

M. F. Ich glaube, daß das Verhalten des Rennwagens eine der großen Stärken dieses Spiels ist. Die realistische Fahrweise, die exakte Streckenführung und die Motivation, die Einstellung und Beherrschung eines Rennwagens zu erlernen, sorgen für ein großes Spielvergnügen und eine lange Lebensdauer dieses Spiels.

Viele sagen, daß ihr Spiel schön sei…

M. F. Es ist nicht nur schön, wir können auch mit Recht behaupten, daß es SPASS macht!

Wie lange hat die Entwicklung des Spiels gedauert und wie aufwendig war sie ?

M. F. Selbst wenn wir die PC-Version von F1 Racing Simulation schon als Grundlage vor uns hatten, benötigten wir dennoch etwa 10 Modeller (Montréal), ebenso viele Informatiker (Paris), 2 Autotechniker (Paris), 4 Spieldesigner – davon einen für die Geräusche – und 15 Programmtester. Hinzu kommen noch die Personen, die indirekt am Projekt beteiligt waren: ein Team zur Entwicklung des Menüeditors (Rumänien), ein weiteres Grafikerteam (China), unsere Tonstudios (Paris), die Marketingteams (Paris, San Francisco), ... Insgesamt sind also ca. 25 tüchtige Leute ganztägig damit beschäftigt, ihren Einfallsreichtum in den Dienst dieses Spiels zu stellen und das bereits seit 8 Monaten. Am Ende wird die Entwicklung des Spiels mehr als 1 Jahr in Anspruch genommen und ca. 50 Personen beschäftigt haben!

Haben sie mit den PC- und PlayStation-Teams zusammengearbeitet?

M. F. Für den PC ist Racing Simulation 2 schon viel früher entstanden als die beiden Versionen für die Konsolen. In Anbetracht dieses enormen Vorsprungs war es für uns natürlich schwierig, mit dem PC-Team zusammenzuarbeiten. Aber die Ingenieurteams der PC- und N64-Versionen setzen sich in etwa aus denselben Personen zusammen, wodurch sich mehr als nur ein einfacher Synergieeffekt ergeben hat!
Im Bereich der Grafik haben wir in erster Linie mit dem PlayStation-Team zusammengearbeitet. Zuerst haben wir untersucht, wo bei beiden Systemen Übereinstimmung herrscht, um die Grenzen und Möglichkeiten einer Zusammenarbeit bei der Entwicklung kennenzulernen. Anschließend haben wir die Erstellung der grafischen Elemente unter China und Kanada aufgeteilt.
Die Basis des Spieldesigns der PlayStation- und der N64-Version ist gleich, ursprünglich war nur eine N64-Version gedacht. Bei der PayStation-Version ist das Spieldesign im Verlauf der Entwicklung leicht verändert worden, um besser auf die Erwartungen der PSX-Spieler eingehen zu können.

Wie denken Sie darüber, daß die 3 Teams in verschiedenen Ländern sitzen?

M. F. Auf Grundlage eines einzigen Spieldesigns haben die einzelnen Teams ein Produkt entwickelt, das sich von der Konkurrenz deutlich absetzt und unterscheidet. Es ist sehr interessant zu sehen, wie es drei unterschiedlichen Kulturen gelingt, an ein und demselben Projekt gemeinsam erfolgreich zu arbeiten.

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